Kennedy Meadows ist für uns SOBOs der offizielle Eintritt in die „Wüste“, welche mit fast 1000 km übrigens der längste Abschnitt des PCT ist. Nach unserer Besteigung von Mt. Whitney änderte sich die Umgebung drastisch binnen weniger Tage. Die eindrucksvollen Nadelbäume wichen dornigem Gestrüpp, aus steinigem und schroffen Untergrund der Sierra Nevada wurde sandiger Wüstengrund (der sich gern in unsere Schuhe schlich). Hier in der Wüste wurde alles vom Wasser diktiert: wie schnell wir gehen konnten, wie weit wir gehen konnten und wo wir schlafen konnten. Teilweise wanderten wir mehrere Tage ohne Zugang zu natürlich fließendem Wasser. Für solche Fälle deponieren die Trail Angels Wasser Caches an Straßenüberquerungen entlang des Trails.
Jeder Abschnitt des PCTs konfrontierte uns mit neuen Problemen, die es zu lösen galt. In Washington war es der Schnee, die Mosquitos und die Hitze, in Oregon die Waldbrände, in der Sierra die Höhe und in der Wüste… das Wasser, oder das Fehlen eben jenes. Auch unser Tagesrhythmus veränderte sich: früher aufstehen, Wandern bevor es heiß wurde, lange Mittagspause und Wandern bis in die Dunkelheit. In der Wüste gab es nicht viel, was einem zu Mittag Schatten spenden konnte. Vielleicht ein paar „Joshua trees“ – diese gehören zum Genus „Yucca“ und wachsen im ariden Südwesten der USA.
Nach der atemberaubenden und herausfordernden Sierra Nevada, war das Ende des Trails in der Wüste fast antiklimaktisch. Das spiegelte sich auch in der Laune vieler Hiker wieder. Kite, Peter und Zach waren nicht besonders begeistert von der Wüste. Ich hingegen war so positiv überrascht, vielleicht gerade weil ich keine hohen Erwartungen hatte? Ich liebte die Sonnenaufgänge, die neue Landschaft und die neuen Herausforderungen.
Ein paar Zitate, die die Einstellung der anderen gegenüber der Wüste widerspiegeln:
Silvio: Gibt’s hier irgendwo einen Roadwalk zum abkürzen?
Zach: Gibts hier irgendwo einen Roadwalk zum LA Airport?
Croc: Kann ich die letzten 14 Meilen meines Lebens zurückbekommen?
Der Wind
Was auch neu war in der Wüste: der Wind. Es war unglaublich windig hier draußen. So windig, dass man glauben konnte, die Windräder seihen keine Windräder, sondern riesige Ventilatoren… Nachts rüttelte der Wind an unseren Zelten, tagsüber blies er uns die Kappe vom Kopf.
Wie viele Wanderer braucht man, um einen Reifen zu wechseln?
Der Abschnitt zwischen Kennedy Meadows und Tehachapi ist der längste ohne Resupply points auf dem gesamten PCT. 135 Meilen (215 km) waren in der Wüste zu überwinden, bis wir Wanderer wieder die Zivilisation erblickten. Mir gefielen diese langen Abschnitte gut, so konnte man so richtig in die Wildnis abtauchen und sich gleichzeitig auf die nächste Stadt freuen. Gegen Ende unseres langen Abschnitts waren wir mehr als bereit für eine Dusche und etwas vernünftiges zu Essen.
Tehachapi lag nicht direkt entlang des Trails und somit mussten wir uns eine Mitfahrgelegenheit organisieren. Zum Glück hatte sich unser Wanderkollege Silvio (vielleicht erinnert ihr euch an diesen Namen vom Beginn des Blogs) mit einem Trail Angel angefreundet und sich dessen Pick-up Truck ausgeliehen. So konnte er uns vom Trail abholen. Während der Fahrt begann der Truck seltsame Geräusche zu machen. Dann spürten wir, dass etwas nicht stimmte. Kite war der erste, der das Problem erkannte „Silvio, ich glaube dein Reifen ist platt.“
Silvio fuhr an den Rand und tatsächlich: der Reifen war komplett platt. Und wir gestrandet. Glücklicherweise hatten wir ja einige fähige Jungs dabei, die sich um das Problem kümmerten. Das war mit einem fremden Auto allerdings gar nicht so einfach. Wo war das Werkzeug? Wo war der Ersatzreifen? Gab es überhaupt einen?!
Es gab einen, Zach machte ihn ausfindig und kämpfte mit den rostigen Schrauben, die den Reifen unter der Ladefläche befestigt hielten. Der sich im Auto befindliche Wagenheber war allerdings viel zu klein, um in irgendeiner Weise nützlich zu sein. So stapelten wir Steine und Bretter unter dem Wagenheber. Ob das der Gebrauchsanweisung entsprach? Apropos Gebrauchsanweisung – Kite fand eine. Die erklärte genau, wie der Reifen zu wechseln war. Und auch, wo sich der Wagenheber befand, allerdings nicht der, den wir in Verwendung hatten. Ein zweiter befand sich unter dem Sitz und wir wunderten uns, ob der Besitzer des Trucks wohl davon wusste. Mit dem größeren Wagenheber hatten die Jungs ruckzuck den Reifen gewechselt und wir konnten weiter in Richtung Tehachapi fahren.
Endlich in Tehachapi angekommen war es dann Zeit fürs Abendessen, eine Dusche und einen kleinen Abstecher ins Jaccuzi. Anscheinend hatten alle SOBOs sich heute entschieden ins mediterrane Restaurant zu gehen.
Das LA Aquädukt
Das LA Aquädukt transportiert Wasser von der Owen’s Valley in der östlichen Sierra Nevada nach Los Angeles. Insgesamt ein umstrittenes Konzept, denn das Ableiten des Wassers aus der Owen’s Valley eliminierte die Möglichkeit, dort Landwirtschaft zu betreiben. Außerdem ist das „Aquädukt“ ein berühmter Abschnitt des PCT, den viele Wanderer des Nachts in Angriff nehmen. Ironischerweise gab es hier kein Wasser, das befand sich nämlich IN dem riesigen Rohr und war nicht zugänglich. Außerdem gab es hier keinen Schutz vor der Sonne und das Gebiet war für seine exorbitanten Temperaturen bekannt. Nach Thru Hiker Tradition wanderten auch wir das Aquädukt bei Nacht.
Diverse Landschaften
Besonders auffallend in unserem letzten Abschnitt des PCT waren die sich verändernden Landschaften. Rein theoretisch war alles hier als „Wüste“ klassifiziert – aufgrund der geringen Niederschläge. Doch Wüste war nicht gleich Wüste. Besonders in niederen Höhenlagen war die Wüste genau, wie man sie sich vorstellte: Trocken, karg, sandig. Lebensfeindlich mit nichts außer Kakteen und Joshua Trees. Doch nur 1000 Höhenmeter weiter oben fanden wir Blumen, Nadelbäume, ja sogar ein wenig Gras. Die Wüste war überraschend divers und Heimat vieler Tierarten, bunten Vögeln und Eichhörnchen.