05.07.2024 – Tag 5: Zero Day
Wir nutzen den Tag um Wäsche zu waschen, auszuschlafen und endlich unsere Pakete zu versenden, die noch im Lions Den standen. Silvio, Tomasz, Fean und ich fuhren mit dem Bus nach Winthrop, um einzukaufen und Pakete zu verschicken und kühlten uns anschließend im eiskalten Fluss in Mazama ab. Heute passierte eigentlich nicht viel, es wurde sich ausgeruht, Nachrichten beantwortet, trail conditions gecheckt und Wunden geleckt (zumindest bei Silvio und mir).
06.07.2024 – Tag 6: Harts Pass bis Meathow River
Zusammen mit einigen anderen Wanderern versuchten wir früh morgens einen Hitch hinauf zu Harts Pass abzustauben. Meander, der sonst Hiker hinauf fuhr, war über das Wochenende weg gefahren. Es dauerte eine Zeit bis Tomasz, eine junge Frau aus Kalifornien, eine Frau aus Deutschland und ich mitgenommen wurden. Zumindest halb bis zum Pass hinauf. Dann standen wir wieder mit ausgestrecktem Daumen an der Straße. Nach 10 Minuten ging es weiter hinauf und wir begannen die Wanderung von Harts fortzusetzen, jetzt aber in Richtung Süden.
Es war merklich wärmer als an den Tagen zuvor. Ich schwitzte gar nicht so sehr und empfand die trockene Hitze als recht angenehm, Tomasz machte sie jedoch sehr zu schaffen. Hier oben auf 2000 m Höhe war es wenigstens morgens noch angenehm.
Ein junger Mann aus Neuseeland überholte uns als wir pausierten und den Rest des Tages sahen wir fast niemanden mehr. Wir wanderten entlang der Flanke von Cone Peak, Tatie und Syncline Mountain (keine Ahnung, wer sich diese Namen ausdachte) immer im Hintergrund die schneebedeckten Spitzen der North Cascades. Der Trail führte von Harts Pass hinab in einen dichten und vor allem komplett überwucherten Wald. Der Pfad war kaum noch zu erkennen und wir schlugen uns durch Gebüsch und junge Bäumchen. Hin und wieder kletterten wir unter oder über einen umgestürzten Baum, bis wir schließlich an einen rauschenden Bach gelangten. Durch die Schneeschmelze führte er viel Wasser und wir nutzten die Gelegenheit um Füße und Gesicht zu waschen. Hier unten im Tal war es viel grüner, als oben in den Bergen. Saftig grün, wohin man auch schaute, wohingegen die Berge heute teilweise eher einer Wüste ähnelten.
Wir wanderten entlang des Baches, bis wir schließlich zu einer wunderschönen campsite mit Zugang zum Wasser gelangten. Die nächste wäre laut Karte noch 9 km und 650 Höhenmeter entfernt, also bauten wir das Zelt auf, und gingen hinunter zum Bach. Nach einer schnellen Waschung kochten wir Abendessen und legten uns ins Zelt. Für morgen hatten wir einen frühen Start geplant, um der Hitze ein wenig zu entfliehen, daher kam uns das eigentlich ganz gelegen.
07.07.2025 – Tag 7: Methow River bis Rainy Pass
Um 4:45 Uhr wurden wir von der Morgendämmerung geweckt und aßen ein schnelles Frühstück. Wir wanderten den ganzen Morgen durch den Wald bergauf bis zu Methow Pass. Oberhalb der Baumgrenze stockte uns fast der Atem: riesige Berge, bedeckt mit Schneefeldern, so weit das Auge reichte. Im morgendlichen Licht schimmerten sie im hellen Blau der Ferne und wachten über den Trail. Der Trail führte entlang der Flanke eines Berges und wir mussten uns beim gehen zusammenreißen, auf den Boden vor uns zu schauen und nicht auf die Berge in der Ferne.
Der Trail führte noch etwas weiter hinauf über etliche Schneefelder und über einen Pass in das nächste Tal. Auch hier: wunderschöne Ausblicke in alle Richtungen.
Für die Mittagspause suchten wir uns ein schattiges Plätzchen an einem Bach und beobachteten die Berge. Es war still hier oben, es wehte kein Lüftchen und man hatte fast das Gefühl man war ganz allein. Erst als ein Mountainbiker den Trail hochgeradelt kam, löste sich das Bild der Einsamkeit langsam in Luft auf.
Wir setzen die Wanderung fort und hinter Cutthroat pass (nicht sehr einladender Name) ging es den Rest des Tages bergab. Und damit meine ich 15 km lang bergab. Die erste Stunde machte mein Knie einigermaßen mit, doch schon bald war der Schmerz bei jedem Schritt zurück und stach unter meiner Kniescheibe.
Wir machten mehrere kurze Pausen und um 16:30 Uhr erreichten wir endlich unser heutiges Schlaflager. Ein Fluss war direkt um die Ecke, der uns zum waschen und schwimmen einlud (brrr kalt). Neben uns hausierte noch ein Amerikaner namens Ken auf der campsite. Wir unterhielten uns mit ihm während des Abendessens bis wir uns um 19:00 alle in die Zelte verkrochen. Nach einem langen Tag auf den Beinen gab es nichts besseres, als sich ins Zelt zu legen, sich vor den Mosquitos zu verstecken und schon um 20:00 Uhr die Augen zu schließen.
08.07.2024: Tag 8: Rainy Pass bis Stehekin
Es war eine trockene und warme Nacht, sodass das aufstehen gar nicht so schwer viel. Um 6:00 Uhr waren die Schuhe geschnürt und bereit für einen langen Tag. Wir wanderten durch einen dichten, moosbehangenen Nadelwald. Verschiedene Wildblumen schmückten den Weg, darunter Lupinen, Valerian und Columbia Lilien.
Schon morgens war es warm und gegen Mittag kletterten die Tenperaturen laut Wetterbericht auf 39°C. Unsere Uhr zeigte 40°C. An jeder Wasserquelle kühlten wir uns ab, doch Abschnitte ohne Schatten schienen unerträglich. Jeder Meter bergauf fühlte sich an wie fünf und mein Herz schlug 30 Schläge schneller pro Minute, als sonst. Noch dazu liefen wit kurzerhand in die falsche Richtung, was uns letztendlich vier zusätzliche Kilometer bescherte. Die hätten wir nicht unbedingt gebraucht.
An einer Kreuzung zwischen dem PCT und einer Forststraße, entschieden wir uns für die letzten zwei Kilometer auf der Forststraße – laut Karte weniger Höhenmeter. Ungefähr einen Kilometer vor dem Shuttle Stop nach Stehekin überholte uns ein kleiner blauer Bus. Der Fahrer fragte uns, ob alles okay sei (ich nehme an er sah mich ein wenig humpeln mit meinen linken Knie). Eher zögerlich sagten wir ja, doch er sagte uns wir sollen einsteigen und er würde uns nach Stehekin fahren.
Im Bus saß eine Reisegruppe aus Seattle. Sie sagten uns, sie hatten unbedingt PCT Hiker mitnehmen wollen und löcherten uns mit Fragen: Wo bekommt ihr euer Wasser her? Jagt ihr unterwegs? Wie lange habt ihr keinen Empfang? Und solche Sachen.
Im Endeffekt hatten wir Glück, das Shuttle nach Stehekin hätte normalerweise 10$ gekostet, wir wurden kostenlos aufgegabelt.
Der Fahrer ließ uns bei der berühmten Stehekin Bakery aussteigen. Uns lief das Wasser im Mund zusammen, als eir vor der Theke standen: so viel Auswahl. Aber wir hielten es simpel und bestellten beide eine Cinnamon Roll, damit kann man nie etwas falsch machen.
Als wir die Bäckerei verließen rollte gerade das Shuttle vorbei und wir stiegen ein. Drei Kilometer zum Campingplatz mussten nun auch nicht mehr sein. Im Bus saß Ken, den wir in den letzten paar Tagen immer wieder getroffen hatte. Das schöne bei einer solchen Wanderung ist, dass man sich immer freut, wenn man bekannte Gesichter wieder sieht. Wir tauschten uns aus, beklagten die Hitze und anschließend statteten wir dem Stehekin Garden einen Besuch ab. Ken kaufte eine riesige Tüte Kirschen und teilte sie mit uns. Der letzte Stopp des Shuttles war der Fährenanleger und der dahinter liegende Campingplatz. Als wir ausstiegen sahen wir eine große Gruppe von Hikern. Fean, Josh, und 7 andere deren Namen wir noch nicht kannten. Wir hatten sie alle jedoch schon getroffen und zumindest ein Hallo ausgetauscht.
Alle gemeinsam verbrachten wir den Rest des Tages im oder am Lake Chelan und anschließend mit einem gemeinsamen Abendessen. Es war schön alle wiederzusehen und uns über die letzten Tage auszutauschen oder das, was vor uns lag: eine der härtesten Abschnitte auf dem PCT. Sieben Tage Food-Carry und 7000 Höhenmeter auf 170 km – österreichische Verhältnisse! Um so größer war der Schmerz, dass Tomasz und ich für zwei Tage mit der Fähre nach Chelan übersetzten würden und bis ich zurück kommen würde, vermutlich alle in weiter Ferne waren. Doch wer weiß, vielleicht würden wir uns wieder sehen. Der gemeinsame Abend war eine wundervolle Versöhnung für die Hitze, die Knie-Schmerzen und die Blasen an den Füßen.
09.07.2024 – Tag 9: Mit der Fähre nach Chelan
Als wir morgens aufwachten, war es heiß. Der Rauch eines nahegelegenen Waldbrandes hing in der Luft und die Sicht auf den See war ein wenig getrübt. Gemeinsam mit den anderen Wanderern trafen wir uns am Fährenanleger und nahmen das Shuttle zur Bakery für ein Frühstück. Die meisten von uns fuhren anschließend zurück zum Trail, ein paar machten noch einen Tag Pause. Für Tomasz und mich ging es mit der Fähre nach Chelan, um Seth und Katie zu besuchen. Für alle neuen Leser:innen: Seth und Katie führen eine Permakultur Farm nahe des Lake Chelan, auf der ich 2022 für ein paar Monate ausgeholfen habe.
Es war heiß auf der Fähre und auch der Fahrtwind brachte nicht die erwünschte Abkühlung, doch bei 41°C, ist vermutlich auch nicht viel zu machen. Wir konnten auf der Fahrt das Pioneer Feuer beobachten, dass in den Bergen oberhalb des Lake Chelan wütete und für den Rauch verantwortlich war.
Ich war so erschöpft von der Hitze und den letzten Tagen, dass ich den Rest der Fahrt verschlief.
In Chelan angekommen, war es glühend heiß. Wir wollten anderthalb Kilometer bis zum Supermarkt gehen, doch die Hitze war unerträglich auf dem Asphalt. Wir streckten den Daumen aus und ließen uns mitnehmen. Dann kauften wir essen für die nächsten paar Tage und später holte Seth uns ab. Auf dem Weg zur Farm nahmen wir mexikanisches Essen von einem Food Truck mit und aßen gemeinsam mit Ryan, Seth’s Mitarbeiter. Später kam auch Katie dazu und wir verbrachten den Abend damit, einander neusten Stand zu bringen, und was so alles in der Zwischenzeit passiert war.
10.07.2024 – Tag 10: Beeren pflücken und Katzen streicheln
Tomasz und ich schliefen ewig in dem geräumigen Wohnwagen, den ich schon vor zwei Jahren bewohnt hatte. Das weiche Bett war wie ein Geschenk und zum ersten Mal seit bestimmt einer Woche schmerzte mein Rücken nicht nach dem aufstehen.
Nach dem Frühstück halfen wir Seth beim Beeren pflücken und streichelten die Katzen. Mein bester Freund Curly war noch immer da und zwei neue Kätzchen waren gerade kürzlich zugezogen. Die beiden kleinen waren so neugierig und verspielt, man konnte ihnen den ganzen Tag zusehen.
Nachmittags fuhren wir mit Ryan zum Lake Chelan, um uns ein wenig zu erfrischen. Der See hatte die perfekte Temperatur zum schwimmen – was ein Genuss!
Tomasz und ich hatten scheinbar noch immer einiges an Schlaf nachzuholen, denn schon um 20:00 Uhr waren wir müde und schliefen ein.
11.07.2024 – Tag 11: Abschiede sind schwer
Tomasz und ich frühstückten gemeinsam mit Seth draußen vor dem Haus. Bald musste er sich allerdings an die Arbeit machen und für Tomasz hieß es Abschied nehmen. Am 15.07. musste er wieder in Seattle sein, und zurück nach Hause fliegen. Die nächste Etappe ging sich genau nicht mehr aus, und die Busse nach Seattle waren schon fast ausgebucht. Seth lieh mir sein Auto und ich fuhr Tomasz nach Manson, von wo der Bus abfuhr. Wir hatten noch ein wenig Puffer eingeplant, um gemeinsam einen Kaffee zu trinken und ein wenig am See zu sitzen. Dann hieß es auch schon Abschied nehmen. Viele Tränen wurden geweint, Umarmungen gegeben und „I will miss you“s ausgetauscht. Hier sahen wir uns also das letzte Mal für die nächsten 1-4 Monate, je nachdem, wie lange ich wandern würde. Als ich mich von Tomasz verabschiedete, wäre ich am liebsten mit ihm gefahren. Wir hatten wunderbare sieben Tage gemeinsam auf dem PCT verbracht und ohne ihn im Zelt einzuschlafen fühlte sich plötzlich unerträglich an.
Damit das hier nicht zu traurig endet, eine lustige Geschichte am Ende dieses Beitrags: Auf dem PCT bekam jeder einen Trail Namen. Der wurde von anderen Wanderern vergeben, und hatte meistens irgendetwas mit einer Sache die man gemacht oder gesagt hatte zu tun. Meistens waren diese Trail names sehr lustig und daher möchte ich euch heute in zwei von ihnen einweihen. Im Lions Den trafen wir Ricky, er war noch nie zuvor wandern gewesen und hatte einfach alles mögliche an Equipment gekauft und es scheinbar nicht ausprobiert. Seinen Rucksack konnte er jedoch nicht schließen und der Schlafsack baumelte außen dran. Allerdings nicht in einem wasserdichten Kompressions-Sack, sondern im Aufbewahrungs-Sack, der mit dem Schlafsack für zuhause geliefert wurde. An Harts pass startete er mit 12 L(!!!) Wasser, was ihm den Namen Kitchen Sink (Waschbecken) einbrachte. Hier in Washington braucht man nie mehr als 1-2 L, Wasser ist wirklich überall!
Jul 13, 2024 9:23 am
Liebe Helena,
Die Tage in Washington scheinen ja wirklich traumhaft gewesen zu sein und es ist einfach schön zu sehen,dass ihr Beiden so einen tollen Tourabschnitt zusammen hattet.Ein wenig skurril fand ich die Bilder von schneebedeckten Bergen und die 41°…..kaum vorstellbar irgendwie.Die Miezenstreicheltage bei Seth und Kati waren offenbar auch angenehm und erholsam. Der Katzenzuwachs ja wirklich extrem niedlich!
Bei der Vorstellung von eurem Abschied musste ich allerdings auch ein paar Tränchen wegblinzeln.Da konnte auch der „kitchen sink“ nix mehr retten. Ich wünsche dir sehr,dass weiterhin so nette Leute wie bisher deinen Weg kreuzen und die Schmerzen von diversen Körperteilen sich in Grenzen halten.
Wir vermissen dich natürlich sehr in unserer Runde mit den „Kängurus“.
Wie immer freue ich mich auf den nächsten Blogpost und fiebere bei allem erlebten und noch zu erlebenden mit.
Also,ich drücke dich von Herzen und wünsche gute Füße,stabile Muskulatur und stets angenehme Wegbeleiter und Zeltnachbarn.
Deine Mama
Jul 18, 2024 9:44 am
Schnüff, Abschiede sind schon ganz schön unschön… Zum Glück gibt’s ja das Internet, da kann man sich zumindest sus der Ferne sehen. Hast du auch schon einen Trail-Namen?
Andreas.
Jul 18, 2024 3:23 pm
Trail-Namen habe ich noch nicht, bin aber schon sehr gespannt, was er wohl sein wird 😎