Helena Algermissen
Welcome to my Website!
Feel free to take a look around in my portfolio or get lost in my long-distance-hiking blog.

Enjoy!

47.8071867° N
13.0744772° E


helena.algermissen@gmail.com

Pacific Crest Trail – Abschnitt 11: Sierra City – Kennedy Meadows North

In Sierra City übernachteten wir bei Trail Angel Donie. Donie war der großzügigste Mensch, den ich kenne. Obwohl er und seine zwei Kinder, Dakota und Chayenne in Armut lebten, tat er alles, was er konnte, um es gemütlich für uns zu machen. Donie wuchs in einem Indianer Reservat auf und verlor seine Frau und die Mutter seiner Kinder vor einigen Jahren in ihrem Kampf gegen Brustkrebs. Seitdem war er alleinerziehender Vater zweier Teenager. Das Haus war in schrecklichem Zustand und gehörte laut Zach „abgebrannt“, oder meiner Meinung nach wenigstens geputzt, doch man konnte es ihm einfach nicht übel nehmen. Donie kümmerte sich liebevoll um seine zwei Kinder, spielte mit ihnen Football im Garten und hostete jedes Jahr über 100 Hiker. Er und seine Kinder boten uns völlig selbstlos alles an, was wir uns nur wünschen konnten. Kalte Getränke, Kleidung, sogar zwei volle Mahlzeiten. Als wir ihm wenigstens Geld für die konsumierten Speisen und Getränke boten, lehnte er vehement ab. Mir war es unangenehm, etwas von jemandem entgegenzunehmen, der selbst nicht viel hatte. Doch genau diese Menschen waren meistens die großzügigsten. 

Die Donner Party

Hinter Sierra City begann die Sierra Nevada, was in Spanisch so viel wie „verschneiter Gebirgszug“ bedeutete. Wir befanden uns fast dauerhaft zwischen 2600 und 2200 Metern über dem Meeresspiegel und hinter den kalifornischen Spirken und Rot-Tannen erhoben sich charakteristischen Granitwände der Gebirgskette. 

Vor etwa 250 Millionen Jahren kollidierten die Pazifische und die Nordamerikanische Platte. Dabei drangen aufgeschmolzene Gesteinsmassen in marine Sedimentschichten ein und erstarrten zu Granit und Batholit. Vor etwa 80 Millionen Jahren begann sich dieser Granit zu heben, wodurch die Meeressedimente abgetragen wurden. Diese Hebung schuf die beeindruckende Landschaft der Sierra Nevada, darunter eine über drei Kilometer hohe Wand am Ostrand, die durch geologische Bewegungen entstand. Diese Region spielte auch eine wichtige Rolle im Goldrausch von 1849.

Wir überquerten den Donner Pass, ein weiterer geschichtsträchtiger Ort entlang des PCT. 

Der Donner Pass wurde nach George Donner benannt, dem Anführer der „Donner Party“ – eine Reisegruppe aus 87 Siedlern, auf dem Weg in den Westen der USA in 1846. 

Auf ihrem Weg über die Sierra Nevada gerieten sie in einen überraschend frühen und extrem harten Winter, wodurch sie in den Bergen eingeschneit wurden. Die Gruppe war schlecht vorbereitet und Nahrungsmittel gingen schnell zur Neige. In den folgenden Monaten starben viele Mitglieder an Hunger und Kälte, und einige Überlebende griffen aus Verzweiflung auf Kannibalismus zurück. Von den 87 Mitgliedern der Donner Party überlebten nur 48. Die tragische Geschichte der Donner Party verlieh nicht nur Donner Pass, sondern auch Donner Lake seinen Namen – an diesem See hatten die Siedler gelagert. 

Wir wurden glücklicherweise nicht von einem frühen und harten Winter überrascht und überquerten den Donner Pass problemlos. Auf der Passhöhe befand sich die Donner Ski Ranch, die sehr an eine Berghütte erinnerte. Hier trafen wir „Smokes“ (aus Israel) und „Second Breakfast“ (aus Deutschland). Gemeinsam begannen wir den Aufstieg hinter Donner Pass und überquerten einen ausgesetzten Grat. Der Wind peitschte über den Kamm des Berges und Böen mit bis zu 65 km/h erfassten uns von der Seite. Mit unseren Rucksäcken boten wir eine große Angriffsfläche. Der Wind war so stark, es fühlte sich an, man könnte sich dagegen lehnen, und würde nicht umfallen.

Als wir schließlich den Grat überquert und den Abstieg begonnen hatten, ließ der Wind endlich nach und plötzlich fühlte sich die Welt ganz still an, als würde einem das Geschrei des Windes erst in seiner Abwesenheit bewusst werden. 

Second Breakfast auf dem Weg zum Grat

Desolation Wilderness

Der PCT führte entlang des riesengroßen und zweittiefsten See der USA: Lake Tahoe. Allerdings nicht entlang des Ufers, sondern in den Bergen hoch über dem See. Hier betraten wir die so genannte Desolation Wilderness. Desolat sah es hier an einigen Stellen definitiv aus, doch dazu später mehr. Desolation Wilderness war ein beliebtes Ziel für „Weekend Warriors“ oder einfach andere Backpacker. Dieser Abschnitt war gekennzeichnet von kantigem Granitgestein, spiegelnden, glasklaren Seen und ausgesetzten Bergrücken. Außerdem überquerten wir unseren ersten hohen Pass: Dicks Pass mit 2934 m.

Wunderschöne Plätze zum Zelten
Lake Velma
Spiegelnde Seen
Dicks Pass auf 2934 m
Desolat?

Never Judge a Book by it’s Cover

Nachdem wir die Desolation Wilderness durchquert hatten, erreichten wir Echo Lake. Hier wimmelte es nur so von Touristen, so war es nicht schwer für uns per Anhalter nach South Lake Tahoe zu fahren. Doch wer uns dann letztendlich mitnahm, überraschte uns alle. Wir gingen entlang des Straße und streckten unseren Daumen nach oben. Als ich dem Fahrer des schwarzen SUVs in die Augen sah, der hinter uns die Straße hinauf kam, nahm ich fast meinen Daumen wieder herunter. Der Mann war glattrasiert und sein ganzer Kopf tätowiert, so wie auch der Rest seines Körpers. Zwischen seinen Frontzähnen klaffte eine kilometerweite Lücke, durch die an einem windigen Tag bestimmt auch der Wind pfiff. Neben ihm saß eine hübsche und stark geschminkte Frau, die das Make-up gar nicht nötig hatte, mit Fingernägeln, so lang wie ein Geodreieck. Ich schätzte unsere Chance auf eine Fahrt eher gering ein, doch er hielt direkt neben mir an und bot uns an, uns nach South Lake Tahoe zu fahren. Wir stiegen ein und er fragte uns, wo wir herkamen. Wie üblich, sagten wir, wir kämen von Kanada und wanderten nach Mexiko. Der Mann dachte, ich würde scherzen und wollte uns zunächst nicht glauben. Als wir alle drei ihm versicherten, dass wir wirklich so weit gewandert waren, wollte er ein Video mit uns aufnehmen. Er und seine Frau würden auch gerne wandern gehen sagte er. Sie beide waren begeistert, von unserer Wanderung auf dem PCT.

Später auf der Fahrt erzähle er uns, er käme aus der gefährlichsten und kriminellsten Stadt Amerikas, genannt Stockton. Er erzählte uns von seiner Gang Vergangenheit und seiner Karriere als Rap Musiker. Der Mann war so freundlich und herzlich, es war kaum zu glauben, dass er ein solches Doppelleben führte. Sein Aussehen passte jedoch zu seiner Geschichte. Das Pärchen ließ uns an einem Campingplatz in South Lake Tahoe aussteigen und wir bauten unsere Zelte auf.

Unser Fahrer und seine drei „Insassen“

Neben uns waren bereits zwei andere Zelte auf der PCT Campsite aufgebaut und es stellte sich heraus, dass die Besitzer dieser zwei Zelte zwei junge Männer aus Deutschland waren, die auf alten 26-Zoll Mountainbikes die Pazifik Küste entlang radelten, über die Sierra Nevada bis nach Las Vegas (nicht mehr an der Küste). Die beiden aßen ihr Abendessen auf dem Campground, doch Zach, Second Breakfast und ich hatten beschlossen heute Abend das ein oder andere alkoholische Getränk zu konsumieren, das mindestens einer Person zu einem entsetzlichen Kater führen würde. Gekleidet in unsere Daunenjacken spazierten wir zu einer Pizzeria und bestellten 3 Liter (!) Bier und Rosé Wein für mich.

Der Paket Wahnsinn

Wie immer gab es in der Stadt viel zu erledigen. Bei mir bedeutete das mehrere Pakete abzuholen. Als Konsumentin mehrerer Tuben Bepanthen pro Jahr, hatte ich mir eine zur Post Office liefern lassen. Die gab es hier nur im Internet. Außerdem warteten dort ein neues Paar Schuhe und ein Paar Einlagen auf mich. Die Post lag allerdings weit entfernt des Stadt Zentrums und ein Uber (Taxi Service) kostete 22$ für eine 10 minütige Fahrt – Wucher! Nachdem ich alle meine Optionen auslotete, entschied ich mich einen dieser elektrischen Roller zu leihen, die kosteten nur ein paar Dollar. Mit meinem Rucksack, vollem Bären Kanister und Schuhen vom Lenker hängend stand ich auf dem Roller und war erstaunt wie schnell das Ding fuhr. Der Roller beschleunigte so schnell, dass die Trägheit der enormen Masse auf meinem Rücken mich fast nach hinten kippen ließ. Nachdem ich den Dreh raushaute, raste ich zur Post Office. Einen Helm hätte ich mir gewünscht, das Teil fuhr sicherlich 25 km/h oder schneller. In der Post Office holte ich meine Pakete ab und musste mich nun mit den anderen am See treffen, wieder einige Meilen entfernt. Zu weit für den Roller! Doch es gab einen kostenlosen Bus Service, den man an bestimmten Haltestellen „bestellen“ konnte. Ich bestellte den Bus zur nächstmöglichen Haltestelle, doch die war noch immer weit entfernt von meinem aktuellen Standort. Außerdem würde der Bus schon in 6 Minuten dort sein. Also lud ich meine Pakete auf den Roller und düste zum Bus. Als ich eine Polizei Station passierte hoffte ich, dass niemand zufällig aus dem Fenster schaute, mit zwei Paketen unter den Armen und eines unter meinem Fuß verstieß ich sicherlich gegen sämtliche Vorschriften für das Lenken eines solchen Rollers, doch was blieb mir anderes übrig?

Kurz bevor ich die Haltestelle erreichte, rief mich die Busfahrerin an und fragte wo ich sei. Ich stellte meinen Roller ab und sprintete zum Bus. Eine halbe Stunde später erreichte ich mit all meinen Paketen den See und traf meine Freunde wieder. Wir nutzten die Roller noch für den Rest des Tages, um uns in der Stadt fortzubewegen und ich fand meinen Gefallen daran.

Second breakfast auf dem Roller

Schneesturm in der Sierra Nevada

Wir verließen South Lake Tahoe am Abend des nächsten Tages und begannen den nächsten Abschnitt nach Kennedy Meadows (North). Der Wetterbericht kündigte niedrige Temperaturen und erheblichen Schneefall an, also planten wir Nahrund für vier Tage ein, statt den üblichen drei, die wir für 75 Meilen sonst brauchten. Am ersten Tag blieb es trocken, doch heftiger Wind machte uns das Leben schwer. Er blies so stark, dass ich nicht einmal gerade gehen konnte, sobald mich eine Böe erwischte. Auch führte der Wind dazu, dass es stark abkühlte und so erfuhren wir eine kalte Nacht.

Die Fotos zeigen leider keinen Wind…
Schön, aber bei 75 km/h Wind kann man den Ausblick eher weniger genießen…

Am nächsten Tag begann der Schnee. Wir sahen die dunklen Wolken immer näher kommen, bis die weißen Flocken schließlich vom Himmel fielen und uns einhüllten. Es hörte bis abends nicht auf zu schneien und wir konnten uns kaum erlauben eine Pause zu machen, um nicht zu kalt zu werden.

Die Nacht war scheußlich. Es schneite zwar nicht mehr, doch die Luft war feucht und ich wachte um 3:00 Uhr auf mit einem nassen Schlafsack, der mich nicht mehr wirklich wärmen wollte. Um 5:00 Uhr hielt ich es nicht mehr aus und packte zusammen, in Bewegung war es wärmer. Wir wanderten noch den ganzen Morgen im Schnee, bis zur Mittagszeit schließlich die Sonne hervorkam und den Boden wieder auftaute. Nach der Mittagspause begannen wir den langen Aufstieg auf den 3000 m hohen Sonora Pass. Uns wurde schon von NOBOs erzählt, dieser Pass sei besonders hart, doch bis auf die Länge, fand ich den Aufstieg sehr viel einfacher, als die meisten Pässe in den Alpen.

Aufstieg zum Sonora Pass
Oben!
3161 m!

Auf der Südseite des Passes stiegen wir hinab zum Highway, von wo wir per Anhalter nach Kennedy Meadows fahren wollten. Als wir die Straße erreichten, trafen wir John, den ich zuletzt in Washington gesehen hatte! Er stand schon seit 40 Minuten an der Straße und hatte kein Glück, per Anhalter zu fahren. Wir zogen unsere Daunenjacken an und bereiteten uns auf einen kalten Abend vor. Nach langem warten fuhr schließlich ein Taxifahrer vorbei – die wohl schlechteste und teuerste Möglichkeit per Anhalter zu fahren. Doch in Kennedy Meadows lockte uns ein Bett und ein paar Nächte im Trockenen, um den kommenden Schneesturm auszusitzen. Wir alle waren kalt und nass und hätten wohl jeden möglichen Preis gezahlt, um ins Tal zu gelangen.