27.07.2024 – Tag 27: Trout Lake – Woody Lake Trail Junction
In Trout Lake durften wir hinter dem Supermarkt auf einer Wiese zelten. Ich stand früh auf und telefonierte mit Tomasz. Als die anderen wach wurden gingen wir gemeinsam über die Straße zu einem Café. Wir bestellten uns eine Tasse Kaffee und setzten uns an einen der Picknick Tische im Garten. Andere Hiker waren hier, die Frühstück aßen. Die Pancakes und Breakfast Burritos sahen zwar sehr lecker aus, doch Ethan, Maria und ich entschieden uns für die günstigere Variante: Müsli, Joghurt und Blaubeeren aus dem Supermarkt.
Nach dem Frühstück herrschte ein reges Zusammenpacken auf der Wiese. Fast 15 Hiker hatten hier übernachtet, darunter auch einige, die gen Norden unterwegs waren – die NOBOs. Ethan besorgte uns eine Fahrt zurück zum Trail und ein Mann mit riesigem Pick-up Truck lud kurze Zeit später 8 Hiker mitsamt Rucksäcken ein. Sowohl auf der Ladefläche, als auch in der Kabine. Die Wanderer auf der Ladefläche mussten ein wenig frieren, als wir den Berg hinauf fuhren.
Zurück auf dem PCT bildeten wir eine kleine Gruppe aus fünf Leuten: Ethan, Maria, Sean, Zach und ich. Wir wanderten gemeinsam durch den Wald, führten Gespräche und die Zeit floss nur so dahin. Bald war es Zeit für Mittagessen. Wir stoppten neben einem kleinen Bach und ließen es uns schmecken. Direkt nach dem Besuch in der Stadt war die Auswahl an Essen um Rucksack immer noch genüsslich groß.
Nach der Pause wanderte Zach alleine vor, weil er ein Hörbuch hörte. Wir anderen wanderten noch eine Weile gemeinsam, bis ich mir schließlich auch ein Hörbuch anmachte. Heute gab es den ganzen Tag nicht wirklich viel zu sehen, weil wir uns ausschließlich im Wald befanden. Was nicht heißen sollte, dass der nicht schön war, wir waren nur zu sehr von spektakulären Ausblicken verwöhnt.
Für kurze Zeit verließen wir den Wald und betraten eine fast wüstenhafte Landschaft. Hier wuchsen keine Bäume, nur Sträucher und trockenes Gras. Einige Meter neben dem Trail stand inmitten einer riesigen sandigen Fläche ein einzelner Picknick Tisch. Das musste wohl ein Zeichen sein, dachten wir und nutzten ihn als Unterlage fürs Abendessen – sehr luxuriös, einmal nicht auf dem sandigen Boden sitzen zu müssen.
Anschließend trotteten wir bergauf und bergab bis es fast 20:00 Uhr war. Leider konnten wir keine geeignete Campsite finden, also entschlossen wir uns für die nächstbeste Wiese. Sie war nicht ganz flach und es wimmelte nur so von mosquitos und irgendwelchen bissigen Fliegen. Daher verabschiedeten wir uns schnell in unsere Zelte und wünschten einander eine gute Nacht.
28.07.2024: Tag 28 – Woody Lake Trail Junction – Cedar Creek Junction
Es war irgendwie ein Naturgesetz, dass Hiker immer alle zu gleichen Zeit aufwachten und loswanderten. Wir besprachen nie eine Zeit für‘s Aufstehen oder Loswandern, und doch waren wir immer alle gleichzeitig bereit für den Aufbruch – praktisch! Es war ein kalter Morgen, der Wind pfiff durch die Bäume und ließ uns zittern und schnell wandern, um warm zu werden. Der Wald war in einen dichten Nebel gehüllt und die Luft war feucht und schwer.
An einem kleinen See hielten wir an. Wir kochten heiße Schokolade und zogen eine weitere Schicht Kleidung an. Außerdem war es bereits Zeit für ein zweites Frühstück. Zach wanderte weiter, doch Ethan, Maria, Sean und ich blieben noch eine Weile am See.
Nach der Pause wanderten wir bergauf und bald konnten wir uns von der Hälfte unserer Kleidung wieder entledigen.
Gegen Mittag erreichten wir einen Parkplatz und sahen Zach an einem der Tische sitzen. Wir setzten uns dazu und kochten Mittagessen. Es war eine lustige Runde und es gab immer viel zu lachen. Wir malten uns aus, was wir wohl am liebsten essen würden, wenn jetzt jemand vorbeikäme und wir uns aussuchen könnten, was wir am liebsten hätten. Maria sagte Sushi, ich entschied mich für Kiwi. Bei jedem vorbeifahrenden Auto fragten wir uns, ob sie wohl Sushi dabei hätten.
Anschließend folgte ein längerer Abschnitt ohne Wasser, also füllten wir alle Flaschen auf und filterten Wasser, das aus einem Plastikrohr tropfte. Mit gut 3,5 L im Gepäck wanderten wir weiter, die Rucksäcke signifikant schwerer, als vorher. Ich verbrachte den Rest des Nachmittags gedanklich in der Fantasiewelt meines Hörbuchs, Maria tat es mir gleich. Nur Sean und Ethan waren immer am plaudern.
Entlang des Weges wuchsen Salmon berries (die überraschend wenig mit Lachs zu tun hatten), Blaubeeren und Huckleberries. Wir freuten uns immer, wenn sie oberhalb des „pee-Levels“ (pipi-Level) wuchsen, denn dann konnte man sie gewissenhaft verspeisen. Immer wieder hielten wir an und pflückten eine Handvoll Beeren. Sie schmeckten köstlich!
Am frühen Abend erreichten wir eine große Wiese mit Blick auf Mt. Hood, einen der Vulkane in Oregon. Rechts davon sahen wir sogar einen Waldbrand in der Ferne vor sich hin rauchen. Hoffentlich nicht auf unserem Weg.
Zach war bereits vor uns hier angekommen und hatte sein Zelt aufgebaut. Wir kochten Abendessen und überlegten, ob wir noch weitergehen sollten. Doch nach dem Abendessen waren wir alle so müde, dass wir beschlossen hier zu bleiben. Die paar Kilometer konnte man morgen dann dranhängen. Um 21:00 Uhr lagen wir alle in den Zelten und träumten von Sushi.
29.07.2024: Tag 29: Cedar Creek Junction – Cascade Locks
Mit aufgehender Sonne begann auch das Rascheln in den Zelten. Luftmatratzen wurde die Luft abgelassen und Schlafsäcke wurden in die Rucksäcke gestopft. Nach einem schnellen Frühstück wurden dann auch schon die Wanderschuhe geschnürt. Gerade als wir loswanderten begann es sanft zu tröpfeln. Die erste Stunde lang hielt uns das Blätterdach des Waldes einigermaßen trocken, doch später musste doch die Regenjacke her. Unser Tag begann mit einem langen Abstieg zum Panther Creek. Je näher wir ihm kamen, desto grüner wurde die Umgebung. Moose gingen von den Bäumen, mannshoher Farn umrahmte den Trail. Über dem Fluss lag ein leichter Nebel und es tropfte von den Baumwipfeln.
Gemeinsam legten wir eine Snack Pause am Panther Creek Campingplatz ein.
Die Campingplatzbesitzerin stellte uns ihre zwei Katzen vor, die wir ausgiebig mit einer Schmuseeinheit begrüßten.
Anschließend wanderten wir ein paar weitere Stunden durch den dichten, fast dschungelartigen Wald. Mein rechtes Schienbein begann gestern weh zu tun und der Schmerz schien heute mit dem ständigen bergab wandern zuzunehmen. Außerdem war einer meiner Zehen noch immer entzündet und schmerzte ebenfalls. Als unsere kleine Trail Familie für die Mittagspause neben einem Fluss anhielt, entschied ich mich dafür, nach der Pause zurück zur Wind River Road zu wandern und per Anhalter in die Stadt zu fahren. Somit würde ich den morgigen Abstieg in die Stadt überspringen.
Ich verabschiedete mich von Zach, Sean, Ethan und Maria und wanderte zurück zur Straße. Wir würden uns morgen wiedersehen, wenn sie nach Cascade Locks kamen. Ich plante sie mit „Trail Magic“ zu empfangen und kaufte frisches Obst für ihr Eintreffen – Sushi war mir dann doch ein wenig zu „riskant“, nicht, dass hier noch jemand eine Lebensmittelvergiftung bekam.
Zu meiner Überraschung dauerte es einige Zeit, bis ein Auto anhielt. Die meisten fuhren einfach an meinem ausgestreckten Daumen vorbei. Eine Gruppe Wanderer nahm mich schließlich mit und ließ mich an der Apotheke in Stevenson aussteigen, wo ich mir eine antibiotische Salbe für meinen Zeh kaufte, der leider ein wenig vor sich hin eiterte.
Anschließend überprüfte ich die Karte und stellte fest, dass ich noch relativ weit von Cascade Locks – meinem Ziel für heute – entfernt war. Erneut stellte ich mich an den Straßenrand und streckte den Daumen heraus. Hier herrschte reger Verkehr und doch hielt zunächst niemand an. Ein junger SUV Fahrer, der eigentlich in die andere Richtung fuhr, winkte mir aus dem Fenster zu und rief „PCT?“. – „Ja!“ schrie ich auf die andere Straßenseite hinüber. Er fuhr auf einen nahegelegenen Parkplatz und drehte um. Dann ließ er mich einsteigen. Er sagte er käme zwar gerade aus Cascade Locks, aber er würde mich trotzdem gerne rüber fahren. Die Chance ließ ich mir nicht entgehen.
Cascade Locks war die letzte Stadt in Washington, die tatsächlich eigentlich schon in Oregon lag. Der Columbia River trennte die beiden Staaten voneinander. Die „Bridge of the Gods“ war eine berühmte Brücke aus weiß bemalten Streben und Metallgittern, die Washington und Oregon verband. Für PCT Wanderer war es ein besonderer Moment über diese Brücke zu schreiten. Die Northbounder hatten jetzt Kalifornien und Oregon hinter sich, sie befanden sich quasi im Endspurt nach Kanada. Wir SOBOs zelebrierten unseren ersten durchwanderten Staat Washington.
Als ich die Brücke überquerte peitschte mir der Wind die Haare ins Gesicht und blies mir fast die Kappe vom Kopf. Durch das Metallgitter unter mir konnte ich den tief unter mir liegenden Fluss sehen. Diese Brücke war nichts für Leute mit Höhenangst.
Auf der anderen Seite traf ich Eliza, eine Hikerin, gebürtig aus Deutschland, die aber inzwischen mit ihrer Frau in Michigan lebte. Wir hatten bereits über Instagram geschrieben darauf gehofft, einander über den Weg zu laufen. Gemeinsam schlugen wir den Weg zur örtlichen Brauerei ein, wo es einen Thru Hiker Fund gab. Trail Angels, oder andere Leute, die uns gerne ein Bier oder Cider spendieren wollten, konnten hier einzahlen. Solange Geld im Fund war, bekam jeder Hiker ein kostenloses Getränk. Erzählungen nach war das Saldo noch nie auf null gewesen und die Hiker hatten immer zu trinken – wie praktisch. Ich bestellte mir einen Blaubeer-Cider und wir setzten uns in die PCT Ecke. Wir vermuteten, wir wurden vom Rest des Lokals abgegrenzt, weil wir so dreckig und wohlriechend waren, doch gleichzeitig war es auch praktisch. Den Rest des Abends unterhielten wir uns mit anderen Wanderern. Es war lustig und gesellig und ich war froh, dass sich alles so gut ergeben hatte. Nach Hiker Midnight machten wir uns auf in unsere Hotels – oder für mich – zum Campingplatz. Es war bereits dunkel als ich mein Zelt aufbaute und hineinkroch. Direkt neben dem Zeltplatz verliefen die Bahngleise. Es war keine ruhige Nacht und ich wachte jedes Mal auf, wenn der Boden vibrierte und ein Zug durch den Ort raste… naja am Berg schlief es sich besser.