18.07.2024 – Tag 18: Snoqualmie Pass bis irgendwo im Wald
Ich schlief leider nicht so gut wie erhofft in der Hütte des Washington Alpine Club am Snoqualmie Pass, doch wenigstens blieb ich ein wenig länger liegen als sonst. Diese Hütte war ein super Ort für Hiker: Abendessen, Frühstück, ein Bett, Dusche und Waschmaschine für 55$! Das hört sich für europäische Standards sehr viel an, ist allerdings hier in Amerika echt ein Schnapper. Noch dazu war die Hütte genau so gemütlich wie die Berghütten in Österreich.
Host Ellie kochte für uns Abendessen: es gab Ofengemüse (Kürbis, Aubergine, Kartoffeln aus ihrem eigenen Garten, Zwiebeln) und verschiedene Salate, mit Bohnen, mit Grünzeug, mit Kichererbsen, gebratener Tofu, und und und. Ein Festmahl! So viele Vitamine für uns Wanderer. Als Nachspeise gab es sogar selbst gemachten Rhabarber „Crumble“ im Prinzip wie Apfelkuchen mit Streuseln, nur halt mit Rhabarber.
Neben mir waren auch Josh (den ich seit Beginn der Wanderung immer wieder traf), Dylan und Antoine hier in der Hütte. Antoine sah ich zunächst immer nur im Gemeinschaftsraum schlafen, wenn ich vorbei schlenderte. Später erfuhr ich auch warum: er wanderte den PCT nicht, er lief ihn (ja, richtig gelesen) und war vor gerade einmal 57 Tagen in Mexiko gestartet. Das müsst ihr euch einmal vorstellen, 57 Tage für 3800 km! Sein Durchschnitt waren 60 km am Tag. Er lief einen Abschnitt für den wir 4-5 Tage benötigten in gerade mal zwei. Ich war beeindruckt und löcherte ihn mit fragen. Wie der Name schon verriet war Antoine Franzose. Er hatte jahrelang auf diesen langen „Lauf“ hingeplant und trainiert. In Europa hatte er sogar schon mehrfach FKTs (Fastest Known Time, also Zeitrekorde für lange Trails) versucht zu brechen. Er sagte mir, das sei alles rein mentale Sache. Naja, wie auch immer, ich war schwer beeindruckt, auch wenn das nicht ganz meine eigene Art war, den PCT zu wandern.
Dylan hingegen war das komplette Gegenteil. Er war milde ausgedrückt eher schlecht vorbereitet und war mit seinem 80L Rucksack unterwegs. Dylan hätte wortwörtlich in seinem Rucksack schlafen können, dann hätte er sich vermutlich das Zelt gespart. Er war ein sehr netter und lustiger Kerl und gemeinsam verbrachten wir den Abend damit seinen Rucksack auszumisten. Trinkblase, zweites Paar Schuhe, 2 Flaschen Seife, eine von 2 Flaschen Insektenspray, 2 Flaschen flüssige Elektrolyte und ein paar andere Sachen mussten gehen. Er trug außerdem einen Kilo Erdnussbutter mit sich herum. Kein Wunder, dass der Rucksack 25 kg wog.
Hiker midnight, so sagt man auf dem Trail, ist 21:00 Uhr, und da hieß ab ins Bett.
Aber jetzt zurück zu heute: ich lag etwas länger im Bett und als ich runter in den Gastraum ging, standen schon riesige fluffige Pancakes auf dem Tisch! Ellie hatte uns Kaffee gekocht und alles fürs Frühstück vorbereitet. Josh war schon dabei seine Pancakes zu verspeisen, Dylan kam etwas später und Antoine war scheinbar schon um 4:00 Uhr aufgebrochen – kein Wunder.
Nach dem Frühstück fuhr Ellie Dylan und mich zum Supermarkt um einzukaufen. Ich hatte das Gefühl langsam hatte ich den Dreh beim einkaufen raus und gab statt 100$ wie die letzten Male, nur noch 56$ aus. Das passte schon eher ins Budget.
Dylan entschied sich noch einen Tag Pause in der Hütte zu machen, Josh und ich brachen auf.
Direkt von Snoqualmie Pass ging es unter Skiliften den Berg hinauf. Mir fiel auf, dass die Skilifte keinen Bügel hatten, den man über die Beine legte. Oben angekommen wanderte ich hinein in den Wald. Viele Tageswanderer waren unterwegs, die meisten fragten mich, ob ich bis ganz nach Mexiko ginge. Hier kannten alle den PCT. Nach ca 12 km auf und ab im dichten Nadelwald erreichte ich Mirror Lake. Ein wunderschöner blauer See, an dessen Ufer ich schon ein paar Zelte erspähen konnte. Ich wanderte um den See herum und sah Shower Beer. „Heee!“ rief ich von weitem und er erkannte mich. Wir quatschten ein wenig, ich aß ein paar Kartoffel Chips und ich teilte ihm mit, dass Josh auch vorhatte hier zu zelten. Die beiden kannten sich schon. Nach einer längeren Pause brauch ich allerdings wieder auf. Wir alle hatten vor den Abschnitt in 5-6 Tagen zurückzulegen, die beiden mussten mit ihrem 12 km Tag aber einiges wieder aufholen, und ich wollte eher ungern mit einem 40 km Tag bezahlen. Ich verabschiedete mich und ich wusste, die beiden würden mich sowieso irgendwann einholen.
Der Trail führte weiterhin durch den Wald, hier und da über eine kleine Lichtung oder Wiese und überquerte viele kleine Bäche. Ich traf mehrere NOBO (northbound) Thru hiker und unterhielt mich mit allen kurz. Es war immer nett sich auszutauschen.
Um ca 20:00 erreichte ich eine Lichtung und baute das Zelt auf. Es war eine ruhige und feuchte Nacht, kein Besuch von vierbeinigen Vertretern.
19.07.2024 – Tag 19: Irgendwo im Wald bis zur PCTA Trail Crew
Erstaunlicherweise wachte ich recht spät auf und fühlte mich gar nicht so ausgeschlafen. Doch es war so gemütlich in meinem Schlafsack, also nickte ich noch einmal ein und wachte gegen 6:30 Uhr wieder auf. Da mein Magen knurrte, beschloss ich aufzustehen. Im Zelt hatte sich über Nacht viel kondensation gebildet, daher war alles irgendwie klamm und feucht. Ich holte mein Essen vom Baum und schlüpfte wieder ins Zelt, um drinnen zu frühstücken. Das war irgendwie der größte Luxus für mich – Frühstück im Bett. Man musste nur sehr aufpassen, keine Sauerei anzurichten! Nach zwei Wochen Haferbrei zum Frühstück, war ich inzwischen auf Tortilla Wraps mit Nutella umgestiegen. Das hatte sich bisher ganz gut bewährt.
Nach dem Frühstück packte ich alles ein und wanderte los.
Wie auch gestern wanderte ich überwiegend im Wald. Doch es war keineswegs langweilig, denn der Wald war wunderschön und wild. Überall zwitscherten die Vögel, auf dem PCT waren Hufabdrücke von einem Reh oder Elch zu sehen. Für mich war das wandern um Wald fast magisch, und so sehr ich doch die Berge liebte, genoss ich die Abwechslung und den weichen Boden.
Heute traf ich erstaunlich viele Menschen, einige davon NOBO hiker, die in Mexiko gestartet waren. Für mich hatten die Amerikaner eine ganz andere Vorstellung vom „Wandern“, als wir Europäer. Die meisten Leute, die ich traf wanderten 35-45 km am Tag. Das sah man in den Alpen eher selten. Ich war froh wenn ich 25 schaffte, das fand ich schon anstrengend. Wie auch immer, ich tauschte mich mit den meisten kurz aus und bewunderte, was sie so erzählten. Was mir allerdings nicht gefiel war, dass berichtet wurde, die Mosquitos würden schlimmer werden – na super.
Gegen Mittag sah ich die ersten Trail Runner eines 160 km Trail Running Rennens. Kurz darauf erreichte ich eine Aid Station. Obwohl ich nicht Teil des Rennens war, gab mir einer der Helfer zwei Bananen. Viele Trail Runner fragten mich, wie meine Wanderung lief. Ich schaute den Läufern beim Auffüllen ihrer Getränke zu und setzte mich in Bewegung.
Den Rest des Tages wanderte ich bergauf. Es war ein weiter und anstrengender Weg bis zur nächsten Campsite, und als ich eine Forststraße überquerte sah ich, was ich für eine weitere Aid Station hielt. Tatsächlich aber handelte sich um eine PCT Trail Crew, also die Leute, die den Trail in Schuss hielten. Sie hatten ein großes Zelt aufgebaut und überall lagen Spitzhacken, Motorsägen und andere Geräte. Die Gruppe bat mir ein Bier an, doch ich fragte nach einer Cola. Die hatten sie auch! Dann setzte ich mich zu ihnen und wir quatschten ein wenig. Fast alle Teilnehmer der Crew waren selbst den PCT gewandert und inzwischen in Pension. Jeder von ihnen hatte einen bestimmten Teil des PCT adoptiert und den hielten sie dann in Schuss. Die Trail Crew hatte auch einen Namen: North 350 Trail Blade Crew. „North 350“ stand für die nördlichen 350 Meilen des PCT. Da befanden wir uns gerade.
Die Truppe lud mich ein zum Abendessen zu bleiben und da meine Beine schwer und lahm waren, entschied ich mich zu bleiben. Ich bekam Reis, Brokkoli und Rindfleisch (um das ich ein wenig herum essen musste) mit Salat und anschließend ein Stück Kirsch Kuchen! Was ein Festmahl.
Den Rest des Abends unterhielt ich mich mit den netten Leuten und baute später mein Zelt auf, um mich hinzulegen. Zum Frühstück sollte ich auch bleiben hatten sie mir gesagt. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen!
20.07.2024 – Tag 20: Von der Trail Crew zur Arch Rock Junction
Ich wachte auf, als ich die Mitglieder der Trail Crew im großen Zelt rödeln hörte. Schnell packte ich meine Sachen zusammen und wurde mit einer Tasse Kaffee empfangen. Der „Koch“ fragte mich, wie ich mein Rührei wollte und ich sagte „mit allem, außer Bacon.“ nur wenige Minuten später nahm ich mein Rührei in Empfang. Im Campingstuhl sitzend verzehrte ich mein Mahl und unterhielt mich mit den anderen.
Ich bedankte mich mehrmals für alles bei der Trail Crew und einer der Mitglieder hab mir einen Smokey Anstecker, den ich mit nach Mexiko tragen sollte (Smokey ist ein Braunbär, das „Maskottchen“ des Forest Service, speziell im Bezug auf Waldbrände).
Voller Energie wanderte ich los und Gefühl verging der Tag wie im Flug. Ich wanderte noch immer einen Großteil des Tages im Wald. Hin und wieder hörte ich ein paar Schüsse, das waren die Jäger. Ich hoffte, ich würde ihnen nicht über den Weg laufen.
Nach ca. 18 km erreichte ich die letzte Wasserquelle für eine Weile, an der sich viele Wanderer tummelten. Ich unterhielt mich besonders lange mit einem Mann aus Dänemark und einem jungen Mann aus New York. Dann brach ich auf und wanderte noch ein wenig weiter, bis ich meine Mittagspause machte. In einem kleinen schattigen Fleckchen im Wald stand eine kleine Hütte, die laut Tafel vom Skimobil Club erhalten wurde. Ich hatte viele Kommentare gelesen, dass diese Hütte ein beliebtes Ziel für Wanderer war, um dem Wetter zu entfliehen, und sie scheinbar 2022 Quelle für einen großen Ausbruch des Norovirus auf dem PCT war. Daher mied ich die Hütte und bewunderte sie nur von außen. Ich war mir sicher, es war sehr gemütlich da drinnen.
Etwas abseits der Hütte lehnte ich mich an einen Baum und kochte Porridge.
Nach der späten Mittagspause beschloss ich, noch ein wenig weiter zu gehen.
Kurze Zeit später erreichte ich eine alte Waldbrand Narbe (so nannte man sie hier, „Burn Scar“ – eigentlich ganz passend, denn der Brand hinterließ eine Narbe). Die Zone erstreckte sich soweit das Auge reichte. Ein toter verkohlter Baum reihte sich an den nächsten, nur der Boden war überraschend grün. Gestrüpp schien den Boden hier zu mögen. Ich wanderte etliche Kilometer bis ich zwei Wanderer auf dem Boden neben dem Trail sitzen sah. Dieser Ort war als Campsite markiert, allerdings sollte man diese verbrannten Gebiete eher meiden, weil die toten Bäume sehr instabil waren.
Ich fragte die beiden, ob sie hier zelten wollten und sie sagten, sie würden noch weiter gehen. Ich setzte mich zu ihnen und wir unterhielten uns. Die Pause kam mir ganz gelegen. Während ich dort auf dem Boden saß, kamen John (aus NZ, hatte Tomasz und mich bei Harts Pass überholt und wir hatten uns in Stehekin wieder gesehen), Shower Beer und Josh vorbei.
John wollte nicht hier zelten und ich sagte ihm, in nur drei km sei eine campsite in einem einigermaßen lebendigen Stückchen Wald. Josh und Shower Beer hingegen waren müde und inspizierten die Bäume in der Umgebung. Nach Überprüfung der Campsite begannen sie ihre Zelte aufzubauen. Ich wanderte weiter zur nächsten Campsite.
Als ich ankam war John gerade dabei, Abendessen zu kochen. Er war sehr nett und wir quatschten ein wenig. Da zu viele mosquitos in der Luft schwirrten, verzogen wir uns in die Zelte, aber unterhielten uns trotzdem noch. Zelten in Gesellschaft gefiel mir um einiges besser, als alleine.
Übrigens war heute mein bisher längerer Tag mit 41km. Dementsprechend müde waren auch die Beine und Füße.
21.07.2024 – Tag 21: Arch Creek Junction – American Lake
Ich wollte ausschlafen, doch sobald die Sonne einmal schien, fiel mir das schwer. Als ich um 6:30 Uhr John aufstehen hörte, begann ich auch langsam einzupacken. Gemeinsam verließen wir das Camp und wanderten für ein paar Stunden gemeinsam.
John war Software Engineer aus Neuseeland, lebte allerdings in San Francisco. Er war mit (geschätzt) 40 Jahren älter, als die meisten Thru Hiker auf diesem Trail und das merkte man auch, wenn man sich mit ihm unterhielt. Ich fand es angenehm und so blieb ich für die ersten 15 km des Tages mit ihm zusammen. Es herrschte eine sehr seltsame Stimmung am Himmel. Es war 10:00 Uhr morgens, doch das Licht war sehr gedämpft. Es war fast dunkel. Wenn die Sonne dann doch einmal heraus kam, sah es aus als wäre es Sonnenaufgang, das Licht war rot und matt. Wir fragten mehrere Leute entlang des Weges und scheinbar kam viel Rauch von den Waldbränden herüber und es gab Warnungen für einen trockenen Gewitter Sturm. Ich lernte, dass diese der Hauptauslöser für natürliche Waldbrände waren. Es regnete zwar nicht, aber Blitze schlugen trotzdem ein. Die Warnung war hauptsächlich für den Nachmittag aktiv, also machten wir uns keine zu großen Sorgen.
John wanderte mir ein wenig zu schnell und ich wanderte nach einer kurzen Snack Pause alleine weiter. Nicht lange, da sah ich Shower Beer und Natalie hinter mir. Natalie war 19 Jahre jung und hatte gerade die Schule abgeschlossen. Wir wanderten alle gemeinsam bis zum Sheep Lake, wo wir Josh und David (noch eine neue Person!) trafen. David wanderte mit seinem sehr süßen Hund Frankie, wenn auch nur für die Washington Section des PCT.
Wir machten alle gemeinsam eine ausgiebige Mittagspause inkl schwimmen oder waschen im See. Als wir Mittagessen kochten, ging es plötzlich an zu regnen. Der Schauer hielt zwar nicht lang an, begann aber in wenigen Minuten erneut. Insgesamt waren wir nicht allzu nass, hier trocknete sowieso alles schnell.
Nach der Pause überquerten wir Chinook Pass und wanderten in den Mt. rainier Nationalpark hinein. Zu Beginn trafen wir viele Touristen, doch schon bald waren wir zu tief im Wald, soweit ging von denen niemand mehr. Josh war schneller und wanderte voraus, ich blieb bei Natalie und David. Frankie war ein ausgesprochen süßer Hund und immer, wenn andere Wanderer mit Hund unterwegs waren, klemmte David sie sich einfach unter den Arm.
Bald wurde ich sehr müde und meine Beine fühlten sich schwer an. Die anderen wollten noch weiter wandern und es schon morgen zu White Pass schaffen, doch mir fielen die letzten paar Kilometer schon schwer. Immerhin waren es 39. ich beschloss mein Zelt aufzubauen, die anderen zogen weiter.
Ehrlich gesagt hätte ich mein Lager vermutlich schon viel früher aufbauen sollen. Andere Leute verführten mich leicht dazu mehr zu wandern, als ich eigentlich wollte, doch es war wichtiger, auf meinen eigenen Körper zu hören.
Nicht einmal 100 m entfernt von mir zeltete Shower Beer, ich war also nicht ganz allein.
22.07.2024 – Tag 22: American Lake – White Pass
Ich schlief eine der besten Nächte auf dem Trail und wachte auf, als kleine Tropfen auf mein Zelt prasselten. Ein Zeichen noch länger liegen zu bleiben.
Ich spähte aus meinem Zelt und bemerkte, dass ich mich in dichtem Nebel befand. Ich wanderte 41 km durch den Nebel. Zum ersten Mal war es nicht unerträglich heiß und so erreichte ich White Pass schon um 16:00 Uhr. Da ich nicht viel Zeit zum Schreiben habe, fasse ich den heutigen Beitrag eher kurz. An White Pass angekommen musste viel erledigt werden: Dusche, Wäsche waschen, essen, Pakete abholen und wieder aufgeben, und mit anderen Hikern quatschten. Bis zum nächsten Beitrag!