Helena Algermissen
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Pacific Crest Trail – Abschnitt 3: Steven’s Pass bis Snoqualmie Pass

13.03.2024 – Tag 13: Stevens Pass – Glacier Lake

Bevor ich mit dem heutigen Eintrag beginne, muss ich euch ein paar Infos am Rande mitteilen: als Tomasz und ich auf der Fähre nach Chelan waren, erfuhren wir von einem neuen Waldbrand, welcher genau an diesem Tag zwei Meilen östlich des PCTs ausgebrochen war. Die Pacific Crest Trail Association warnte davor, dass der Trail für diesen Abschnitt eventuell geschlossen würde. Da das Feuer frisch war, war Feuerwehr noch nicht vor Ort. Dieses Feuer, genannt „Shoofly Fire“ befand sich gegen Ende eines 170 km langen Abschnitts, mit keinen Wanderwegen, die als Fluchtrouten dienen könnten. Ab dem Moment, in dem Wanderer Stehekin verließen, würden sie keine Infos mehr über das Feuer erhalten können. Ein Waldbrand konnte sich Problemslos innerhalb eines Tages in seiner Fläche verdoppeln und zwei Meilen Abstand zum PCT erschien mir etwas zu riskant. Vor allem ohne Empfang und Fluchtrouten. Außerdem wollte ich eher ungern im Rauch des Feuers wandern, also entschloss ich mich den Abschnitt von Stehekin bis Steven’s Pass zu überspringen. Der Forest Service bat außerdem darum, von Outdoor Aktivitäten in diesem Bereich abzusehen, um die Feuerwehrmänner und -frauen nicht zu beeinträchtigen, die hier den Brand bekämpften. Außer mir wanderten übrigens alle durch diesen Abschnitt durch. Viele wussten nicht vom Feuer, weil sie einen Tag früher aufbrachen, Silvio entschied sich dazu, trotzdem durch zu wandern. Naja, so kam es also, dass ich einen der schönsten und härtesten Abschnitte des PCT auslassen musste.

Der Wecker klingelte um 4:45 Uhr, von Seth und Katie hatte ich mich gestern Abend schon bei unserer Pizza Party verabschiedet, also schnappte ich meinen Rucksack und verließ den Wohnwagen, in dem ich schon vor 2 Jahren gelebt hatte. Seth’s Mitarbeiter Ryan und ich fuhren zu Stevens Pass. Er würde mich ein paar Kilometer auf der Wanderung begleiten und dann selbst irgendwo zelten. Es war purer Zufall, dass er genau an diesem Wochenende in der gleichen Ecke geplant hatte unterwegs zu sein, doch so fügte sich scheinbar alles. Um 5:00 Uhr fuhren wir los und beobachteten den Sonnenaufgang durch die Windschutzscheibe. Es hing dicker Rauch von den Waldbränden in der Luft, der den Himmel in einem satteren rosa erscheinen ließ, als sonst.

Um kurz nach 7:00 Uhr erreichten wir Stevens Pass und begannen die Wanderung auf dem Parkplatz. Scheinbar befanden wir uns auf der falschen Seite der Straße, denn ein Pick-up mit einer großen Aufschrift „Stevens Pass“ hielt direkt neben uns an. Der Fahrer ließ das Fenster herunter und fragte uns, ob er uns auf die andere Straßenseite fahren sollte. Etwas verdutzt sagte ich, wir könnten auch gehen, doch dann zeigte er auf eine Fußgänger Brücke in der Ferne und sagte „ihr könnt die Straße nur dort überqueren.“ also warfen die Rucksäcke auf die Ladefläche und stiegen ein. Der Fahrer erzählte uns, er sei selbst 2015 den PCT gewandert und brachte uns direkt zum Trailhead. Er war sehr nett und wir bedankten uns für die Eskorte.

Stevens Pass war ein bekanntes Ski Gebiet in Washington und so wanderten wir die ersten paar Kilometer unter stillstehenden Ski Liften. Das fühlte sich fast an wie in Österreich. Die Luft summte und brummte mit Mosquitos, als wir den Berg hinauf wanderten. Nach gut einer Stunde erreichten wir einen Pass, und wanderten auf der anderen Seite wieder herunter und entfernten uns von den Skiliften. Auf dem Weg hinab rief jemand „Helena?“ und ich wusste sofort wer es war. Ryan war verwirrt, doch ich begann den Trail hinunterzulaufen. Nach kurzer Zeit stand ich meiner besten Freundin Johanna gegenüber. Ihr fragt euch wohl, wie das wohl zu Stande gekommen war. Wir sagten es so „Hä, das macht ja 0.0% Sinn, dass du jetzt auch hier bist!“. Spaß beiseite. Johanna hatte ein Konzert ihrer Lieblingsband in Washington besucht und da wir beide sehr verrückt nach der „Pacific North West“ (so nennt man diesen Teil der USA) waren, wollte sie unbedingt auch einen Abschnitt des PCTs wandern. Sie war mit ihrer Freundin Liv unterwegs und ursprünglich hatten wir gehofft, alle gemeinsam wandern zu können, doch das wäre zeitlich leider schwierig geworden, weil ich an das Start Datum meiner Permit gebunden war. Somit hatten wir also beide gehofft, wir würden uns irgendwo über den Weg laufen. Das war allerdings nur passiert, weil ich den Waldbrand übersprungen hatte, was mich ein wenig vertröstete.

Nach einem langen Gespräch, und etlichen Mückenstichen, setzten wir die Wanderung fort. Jo teilte mir mit, sie würden heute im Green Tortoise Hostel in Seattle übernachten, genau wie Tomasz. Später erfuhr ich, dass sie alle gemeinsam Pizza essen gegangen waren. Wie schön sich doch alles fügte.

Nach einiger Zeit im dichten Wald erreichten wir einen kleinen See, an dem wir eine Mittagspause einlegten. Währenddessen unterhielten wir uns über alles mögliche und genossen die Ruhe am See. Ryan sagte mir, er würde hier schlafen wollen, also verabschiedeten wir uns nach der Pause und ich wanderte weiter gen Süden.

Der Trail erhob sich immer höher bis ich schließlich wieder von Bergspitzen umgeben war. Mir kamen viele „Weekend Warriors“ entgegen(so nannten wir Wanderer, die nur für das Wochenende unterwegs waren), manche blieben kurz stehen, um sich mit mir zu unterhalten.

Ich wanderte an unzähligen glasklaren Seen vorbei, jeder wunderschön und blau. Ich fand einen wohlgeformten Stein neben dem Trail, setzte mich hin und genoss den Ausblick.

Nach ein paar Minuten kam „Shower Beer“ vorbei (Trailname). Wir hatten uns bereits auf Harts Pass getroffen und kamen erneut ins Gespräch. Er war nett, rauchte aber ständig Gras. Wir wanderten gemeinsam weiter, bis ich Glacier Lake erreichte, wo ich beschloss mein Zelt aufzubauen. Shower Beer wollte weitergehen, also wünschten wir einander einen schönen Abend. Ich ging hinunter zum See und konnte es kaum erwarten hineinzuspringen. Der See war glasklar und schimmerte in der Sonne. Schnell baute ich mein Zelt auf, schmiss alles hinein, was hinein gehörte und sprang über große Steine hinunter zum Wasser.

Es war weniger kalt als erwartet, doch es tat gut. Nach einer kurzen Katzenwäsche legte ich die Kleidung in die Sonne zum trocknen und trocknete selbst im warmen licht der tiefstehenden Sonne.

Mein Magen knurrte, also suchte ich mir einen flachen Stein am Ufer und kochte Abendessen. Anschließend ging ich zufrieden zurück zum Zelt, hängte mein Essen an einen Baum und legte mich hin.

Abendessen neben dem Glacier Lake

14.04.2024 – Tag 14: Glacier Lake – Deep Lake

Um 4:45 Uhr war es noch nicht wirklich hell, also blieb ich noch ein wenig liegen. Im Camp war alles ganz leise, die meisten schliefen noch. Das Zischen meine Isomatte durchschnitt die Stille, als ich das Ventil öffnete. Ich verstaute alles im Rucksack und baute das Zelt ab. Dann machte ich Frühstück und verließ die Campsite.

Nach nur wenigen Minuten hörte ich ein lautes Geräusch in der Ferne und sah eine Lawine die Bergflanke hinuntersausen. Glücklicherweise nicht in der Nähe des PCT.

Ich erklomm in der Kühle des morgens Pieper Pass und hinter den vielschichtigen Bergsilhouetten sah einen der vielen Vulkane in der Ferne alles überragen. Leider konnte ich nicht sagen, ob es Mt. Baker, oder Mt. Rainier war.

Rauf zu Pieper Pass

Nach Pieper Pass erwartete mich ein steiler Abstieg zu Deception Lake. Hier wimmelte es von Mosquitos, es lohnte sich also nicht, stehen zu bleiben. Die nächsten paar Stunden führte der PCT durch den Wald, bis ich schließlich wieder höher stieg. Ich überquerte mehrere kleine Bäche, bis mich auch schon mein erstes River Crossing erwartete. Der Fluss war prall gefüllt von der Schneeschmelze und sauste den Berg hinunter. Entgegenkommende Wanderer sagten mir, meine Schuhe würden nass werden und ich solle mich links halten. Der Seitenstrom des Flusses war ein Kinderspiel, blitzschnell war ich auf der anderen Seite. Hier musste ich ein Stück flussabwärts wandern, um zum nächsten Fluss zu gelangen. Und dieser war um einiges größer und tiefer und über den tosenden Fluss hinweg gab mir ein Mann auf der anderen Seite ein Handzeichen, wo ich überqueren sollte. Ich folgte seinem Rat und setzte den ersten Fuß ins Wasser. Schon stand ich bis zu den Knien im Wasser. In der Mitte des Flusses spürte ich, wie viel Kraft er besaß: obwohl nur knietief musste man sich sehr anstrengen in der Strömung die Balance zu halten. Nach wenigen Schritten hatte ich es geschafft. Am anderen Ufer angekommen sagte der Mann zu mir „You made it look easy!“. Neben ihm saßen noch ein paar weitere Männer, die ihre Schuhe in der Sonne trockneten.

Mit nassen Schuhen stapfte ich den Berg hinauf und suchte nach einem geeigneten Platz für eine Mittagspause und um meine Schuhe zu trocknen. Es dauerte ein wenig, doch schließlich wurde ich auf einer kleinen Lichtung fündig. Ich stellte Schuhe und Socken in die Sonne und begann Wasser zu kochen. Binnen weniger Minuten machten sich die Mosquitos über mich her. Es waren so viele und sie waren überall: in meinem Gesicht, auf den Beinen, auf den Händen. Ich versuchte sie zu zerschlagen bevor sie Blut saugen konnten, doch diese Mistviecher waren schnell und nach nur wenigen Minuten juckte mein ganzer Körper. Trotz der Hitze zog ich meine Regenhose und Regenjacke an. Was war schlimmer, an der Innenseite des Regengewands kleben, oder noch mehr Mosquito Stiche?

Ich kochte Wasser für mein Mittagessen, doch ich musste immer noch ständig um mich schlagen und die mosquitos zerstachen jeden freiliegenden Zentimeter meiner Haut. Eigentlich hätte ich mich gern in den Schatten gelegt und ein Nickerchen gemacht, doch es war unerträglich hier, also beschloss ich einfach weiter zu wandern.

Frustriert überquerte ich einen kleinen Bach und traf die Männergruppe wieder, die mir bei der Fluss Überquerung zugeschaut haben. Ich kam mit ihnen ins Gespräch, einer von ihnen erkannte meinen Akzent und fragte, ob ich deutsch sei. Er sagte seine Großmutter hatte in Österreich gelebt. Wir unterhielten uns ein wenig mehr und stellten fest, dass wir alle heute vor hatten an Deep Lake zu zelten. Ich verabschiedete mich „bis später!“

Nun ging es wieder bergauf, die Hitze machte den Aufstieg um einiges schwieriger und die Steigung des Trails hatte heute fast europäische Verhältnisse, ganz zu meinem Leidwesen. Auf Cathedral Pass angekommen, ging es dann hinunter auf etlichen Serpentinen durch den Wald bis zu Deep Lake. Erst überlegte ich, ob ich nicht doch noch weitergehen sollte, es war erst 15:00 Uhr, doch meine Beine waren nach 26 km müde und ich hatte Schwierigkeiten mit der Hitze. Nach einem letzten River Crossing erreichte ich das Ufer des Sees und suchte mir einen geeigneten Platz für mein Zelt. Anschließend ging ich eine schnelle Runde Baden im Deep Lake, der seinem Namen übrigens nicht gerecht wurde und überraschend flach war.

Anschließend hängte ich meine Kleidung zum Trocknen in einen Baum und legte mich ins Zelt, um den Mosquitos zu entkommen.

Als ich mein Abendessen aß, kamen die Männer von vorhin vorbei. Sie luden mich ein bei ihnen am anderen Ende des Camps vorbeizuschauen, falls ich Gesellschaft wünschte. Ich war unentschlossen, putzte mir die Zähne und mein Gang zur „Toilette“ führte mich zufällig durch ihre Campsite. Ich setzte mich zu ihnen und wir unterhielten uns. Sie waren alle sehr nett und die Gespräche waren unterhaltsam. Außerdem hatten sie Jo und Liv getroffen und waren mächtig beeindruckt von diesen jungen wandernden Frauen, die einige mehr Kilometer pro Tag zurücklegten, als sie. Ich erzählte ihnen von meinen Wanderungen in Europa und sie waren begeistert vom Slovenian mountain trail. Einer von ihnen sagte sogar, er würde den unbedingt wandern wollen. Während des Gespräches wurde ich übrigens von Mosquitos ZERFLEISCHT, sodass mir einer der Männer sein Mücken Spray schenkte. Sie hatten alle ein praktisches Mosquito Netz fürs Gesicht auf, ich hatte meines im Zelt gelassen und war schutzlos ausgeliefert.

Um 19:00 Uhr verabschiedete ich mich, bedankte mich für das nette Gespräch und verzog mich in mein Zelt.

15.05.2024 – Tag 5: Deep Lake – kurz vor Lemah Creek

Ich hatte geplant, um 4:30 Uhr aufzustehen, doch es war kalt und feucht in der Früh und so blieb ich noch etwas liegen. Ausnahmsweise frühstückte ich im Zelt, dann packte ich zusammen und wanderte los. Nach weniger als einem halben Kilometer musste ich den ersten Fluss überqueren. Am meisten ärgerlich daran war, dass ich meine Schlafsocken trug, weil die Wandersocken von gestern noch nass waren. Ich musste also erneut die Socken wechseln, damit wenigstens ein paar trocken blieb. Es erwies sich leider als unmöglich, denn sobald ich stehen blieb, wurde ich von gefühlt 100 mosquitos umschwärmt. Also Augen zu und durch, wenn ich über die Steine springen würde, hätte ich eine Chance, dass die Schuhe trocken blieben. Das ging auch relativ gut – bis zum letzten, da rutschte ich ab und landete im Wasser. Gerade konnte ich mich noch mit den Händen abfangen, sonst wäre mein Hintern auch im Wasser gelandet. So schnell ich konnte lief ich aus dem Fluss und rettete mich ins Trockene. Es war noch sehr kühl, die Schuhe würden also nicht besonders schnell trocknen. Ich beschloss weiter zu wandern und mich später um die nassen Schuhe zu kümmern.

Zunächst wanderte ich hinab durch den Wald in ein grünes Tal. Links von mir schnellte ein Fluss durch eine Klamm und versorgte das Tal mit Wasser. Der Trail war überwuchert und ich musste mich durch die feuchten Pflanzen schlagen.

Wo ist der Trail? Aber schöne Blümchen…

Nach 10 km blieb ich am Abzweig zur Waptus Lake Alternate stehen und machte eine Pause. Ich zog Schuhe und Socken aus und stellte sie in die morgendliche noch eher schwächliche Sonne. Dann begutachtete ich meine Füße: von den nassen Schuhen hatte ich unter beiden kleinen Zehen Blasen bekommen. An der Stelle hatte ich sie auch noch nie gehabt. Ich verpflasterte die Blasen und widmete mich anschließend der Karte. Johanna empfahl mir die Waptus Lake Alternate zu nehmen, dort seien schöne Campsites und man wanderte direkt am See. Das einzige Manko: viel mehr Höhenmeter, der eigentliche PCT verlief auf gleichbeleibender Höhe über dem See. Ich entschied mich dazu auf dem PCT zu bleiben, und hoffte den See von oben zu sehen. Doch leider führte der Weg durch den Wald und es war nicht einmal ein See zu erahnen. Naja, hätte ich mal die Alternativ Route genommen…

Kurz vor Mittag wurde es wie immer heiß und ich hatte einen langen Aufstieg vor mir. Kurz vor 12 suchte ich mir ein schattiges Plätzchen und kochte Mittagessen. Heute hatte ich ungewöhnlich wenige Menschen getroffen, maximal zwei! Nach der Mittagspause war es noch heißer und der Aufstieg wurde zur Qual. Nach gut 10 km Aufstieg erreichte ich endlich den Pass und wurde mit einem beeindruckenden Bergpanorama belohnt. Steil und zackig ruhten die Berge in der Ferne, kleine Schneefelder hielten sich noch hier und da und sahen aus wie Flüsse, die sich sen Hang hinunter schlängelten. Zu meiner rechten lag ein kleiner See. Er war zwar nicht tief genug zum schwimmen, aber genug um die Füße hineinzuhalten.

Nach einer kurzen Pause wanderte ich weiter und nur wenige Kilometer später erwartete mich ein weiterer Bergsee, dieser lud jedoch wirklich zum schwimmen ein. In wenigen Sekunden waren alle verschwitzen Klamotten abgeworfen und ich schwamm im kühlen Wasser. Übrigens gar nicht so kalt wie erwartet. Beim anziehen musste man immer schnell sein, sonst wurde man von den Mücken zerfressen, die nur darauf warteten, dass man aus dem Wasser stieg.

Man konnte genau sehen, welcher Teil des Körpers Sonne abbekam…

Hinter dem See gab es einen langen Abstieg. Die Sonne stand schon tief und ließ die Berge bläulich verblassen. Ungefähr auf der Hälfte des Abstiegs traf ich Josh. Er saß an einen Baum gelehnt und machte Pause. Wir hatten uns seit einiger Zeit nicht gesehen und tauschten uns über die letzten Tage aus. Anschließend beschloss ich an dieser Stelle mit Bergblick zu zelten, er wollte noch weiter gehen.

Ja, mein Zelt ist ein Palast.

Ich baute mein Zelt auf, kochte Abendessen und ließ meinen Blick über die Berge schweifen. Es sah fast ein bisschen aus wie die Alpen. Nur gab es hier keine Berghütten, Forststraßen und keinen Handyempfang.

16.07.2024 – Tag 16: kurz vor Lemah Creek – Ridge Lake

Heute war wirklich eine Achterbahn der Gefühle.

Früh morgens waren die Berge immer besonders schön

Ich wachte wie immer recht früh auf, frühstückte und brach das Lager ab. Dann begann ich den Abstieg zu Lemah Creek. Hier unten im Tal war es zwar grün, aber auch sehr feucht, daher war ich ganz froh weiter oben gezeltet zu haben. Ich passierte ein paar leere campsites und stand schließlich vor Lemah Creek. Hier hatte es wohl einmal eine Brücke gegeben, jedenfalls stand das Fundament noch. Die Brücke jedoch fehlte, also musste der Fluss anders überquert werden.

Ein wenig flussabwärts lag ein Baumstamm im Wasser, der die gesamte Breite des Flusses überquerte. Ich hielt nach Alternativen Ausschau, doch dieser Baumstamm schien alternativlos zu sein. Ich stieg auf den Stamm und begann mit kleinen Schritten den Fluss zu überqueren. Der Stamm lag sehr dicht an der Wasseroberfläche und in der Mitte war er dunkel und sah rutschig aus. Der Wasserstand war vor kurzem wohl höher gewesen und hatte den Stamm bedeckt. Ich konzentrierte mich, nicht auszurutschen und im reißenden Fluss zu landen. Erleichtert erreichte ich das andere Ende und nun ging es wieder bergauf.

Nach ein paar Stunden relativ ereignislosen Wanderns, erhob sich der PCT endlich wieder über die Baumgrenze und ich konnte blicke auf die umliegenden Seen erhaschen. Die Berge in dieser Gegend waren scharfkantig und sahen fast etwas bedrohlich aus. Direkt darunter lag still und blau ein wunderschöner Bergsee mit mehreren kleinen Inseln. Ich hielt kurz inne, um den Blick auf mich wirken zu lassen. Zu lange konnte ich allerdings nicht stehen bleiben, denn der Aussichtspunkt lag in der Sonne, die schon wieder vom Himmel brannte.

Ich möchte ja nicht den schönen Blick versperren…

Ich wanderte noch ein wenig weiter bergauf, bis ich einen geeigneten Platz für die Mittagspause suchte. Da ich Wasser zum kochen benötigte bot sich ein nahe gelegener See an. Als ich diesen erreichte, stellte sich allerdings heraus, dass es sich dabei um eine sehr schlechte Idee handelte. Es wimmelte nur so von Mosquitos. Da hatte man meistens eigentlich nur zwei Optionen: Mosquito spray oder Regenkleidung anziehen. Für die Regenkleidung war es zu heiß, also sprühte ich mich ein. Zumindest da, wo die Haut freilag. Die Mistviecher schien das jedoch nicht zu interessieren und sie stochen trotzdem zu.

Also blieb mir nur noch eine Möglichkeit: das Zelt aufbauen und drinnen essen. Ich wollte mich nämlich gern auch noch ein wenig hinlegen, das war aber schier unmöglich mit all diesen fliegenden Blutsaugern.

Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte, warf ich schnell den Rucksack hinein und verschwand im inneren. Obwohl das Zelt erst kurze Zeit stand, war es hier drinnen schon brüllend heiß. Einen Gaskocher konnte ich hier auch nicht verwenden, also kippte ich kaltes Wasser auf meine Nudeln. Das ging auch, dauert nur länger als 30 min. Ich wollte ja eh eine längere Pause machen.

Doch schon nach wenigen Minuten hielt ich es im Zelt nicht mehr aus. Es waren mindestens 40°C im inneren und der Schweiß lief mir in Strömen vom Gesicht. Ich stürzte aus dem Zelt und hin zum Wasser wo ich mein Gesicht wusch und meine Kappe ins Wasser tauchte, um meinen Kopf zu kühlen. Hier draußen war es fast angenehm verglichen mit dem Zelt.

Also es nützte ja nichts, ich baute das Zelt wieder ab, lernte aus meinen Fehlern und aß meine Nudeln im Gehen. Nur so konnte man den Mosquitos entfliehen.

Als ich ca 20 km gewandert war, sehnte ich mich nach einer Pause. Ich war fast durchgängig auf den Beinen gewesen, weil die Mosquitos mir jegliche Pause vermiesten. Heute musste ich viel bergauf wandern, kilometerweit über geröllfelder und steiniges Terrain, dass an den Füßen schmerzten. Mitten auf dem Trail im Schatten eines Baumes machte ich Pause, meine Füße taten weh und es war noch so früh am Tag. Hier waren nur 1-2 Mücken und ich döste sogar kurz ein.

Fast wie in den Alpen

Als ich weiter wanderte spürte ich einen stechenden Schmerz unter meinem rechten kleinen Zeh. Wieder blieb ich stehen und zog Schuhe und Socken aus. Unter dem Tape, was ich auf die Blasen geklebt hatte, hatte sich die Blase weiter mit Flüssigkeit gefüllt. Wie ein Ballon gefüllt mit gelblicher Flüssigkeit saß eine riesige Blase unter meinem Zeh, die so groß war, wie der Zeh selbst. Warum die erst jetzt so schmerzte verstand ich nicht, aber behandelt werden musste sie trotzdem. Ich desinfizierte eine Nadel und stach die Blase auf. Die Flüssigkeit spritzte förmlich heraus. Anschließend desinfizierte ich die Wunde und klebte wieder Tape drüber. Die Blase (und auch die andere) schmerzte bei jedem Schritt. Ich humpelte fast den Berg hinunter und beschloss so bald wie möglich das Lager aufzuschlagen. Das einzige Problem: ich befand mich in einer „fragilen“ Zone, in der Zelten vorübergehend nicht erlaubt war, bis sich die Natur erholt hatte.

Hmmmm…

Na gut, also weiter. Je länger ich ging, desto mehr blendete mein Gehirn den Schmerz aus, doch nach jeder kurzen Pause war er wieder zurück und stark wie eh und je. Ich erreichte endlich die erste campsite und musste feststellen, dass sie noch unter dem Schnee begraben war. Also weiter zur nächsten. Als ich ankam baute ich sofort das Zelt auf und kochte Abendessen. Ich war fast am verhungern. Anschließend verließ ich das Zelt um einen geeigneten Baum für mein Essen zu finden. Und da fiel es mir auf: ein riesiger toter Baum stand direkt neben meinem Zelt. Darauf sollte man immer als allererstes schauen, dass man nicht neben toten Bäumen, so genannten „widow makers“ campiert. Die chance, dass dieser Baum genau heute umfiel, war vermutlich sehr gering, doch nachdem ich auf dem Trail schon etliche umgefallene Bäume überqueren musste (die sehr viel gesunder aussahen, als dieser hier) beschloss ich, alles wieder abzubauen und weiter zu gehen. Ich war so frustriert, ich wollte am liebsten schreien, oder weinen. Meine Füße taten so weh und jetzt musste ich noch weiter gehen.

Ich machte mich auf den Weg und stellte fest, dieses Stückchen Trail war tatsächlich wunderschön. Die Sonne begann bald unterzugehen und in der Ferne sah ich den Vulkan und Washingtons höchsten Berg Mt.Rainier oder Tahoma für die native Americans. Majestätisch überragte er alle anderen Berge in der Umgebung und war in einen weißen Mantel gekleidet. Dieser schöne Anblick machte fast alle Strapazen von heute wieder gut. Ich wanderte die letzten paar Kilometer bis zum nächsten Camp, baute das Zelt in Rekordzeit auf, und legte mich hin. Endlich. Alles tat weh, doch vielleicht würde ich morgen mal etwas länger liegen bleiben.

Mt. Rainier in der Ferne

Während ich in meinem Zelt lag stattete mir übrigens ein Kolibri einen Besuch ab. Er schwebte direkt neben meiner Tür und hörte sich an wie ein kleiner Helikopter. Allerdings war er zu flink, so schnell wie er wieder weg war, konnte ich kein Foto machen.

Übrigens, was mir auf diesem Trail besonders auffällt: der Boden ist sehr staubig, man hinterlässt wortwörtlich eine Staubwolke, wenn man darüber geht. Das mag zwar schnell aussehen, hinterlässt aber überall Dreck. Der Staub geht durch die Schuhe, klebt am Rucksack, überall. Somit ist eigentlich alles dreckig, Füße, Kleidung, Beine, Ausrüstung, Fingernägel. Selbst mit regelmäßigen waschen in Flüssen und Seen wird man diesen Dreck nie so richtig los. Ob ich mich da jemals dran gewöhnen werde.. Ich zeige euch lieber kein Foto von meinen Füßen!

17.07.2024 – Tag 17: Ridge Lake bis Snoqualmie Pass

Ich wachte in der Nacht auf, als ein großes oder eher schweres Tier an meinem Zelt vorbeidrücket. Als ich leise hustete begann es wegzurennen, ich vermutete, dass es sich um einen Bären handelte, ein Reh hörte sich anders an. Damit hatte ich schon Erfahrung. Für den Rest der Nacht schlief ich nicht mehr wirklich ein, aus Angst, der Bär würde zurückkehren.

An diesem Tag wanderte ich 12 km hinab zu Snoqualmie Pass, wo ich mir ein Bett im Matratzenlager der Washington Alpine Club Hütte gebucht hatte (mit Dusche, wuhuu!).

Da der Weg bis auf den ersten Kilometer recht langweilig war, erspare ich mir und euch das Schreiben bzw. lesen, und gönne mir eine kleine Auszeit. Morgen geht’s dann eh weiter! Heute musste viel erledigt werden: duschen, Wäsche waschen, Zelt trocknen, einkaufen, Blasen versorgen… und so weiter. DANKE fürs Lesen und bis bald!