Helena Algermissen
Welcome to my Website!
Feel free to take a look around in my portfolio or get lost in my long-distance-hiking blog.

Enjoy!

47.8071867° N
13.0744772° E


helena.algermissen@gmail.com

GR11 Abschnitt 4 – von Isaba nach Banos de Panticosa

Tag 10: von Isaba nach Zuriza

Als um 5:30 Uhr der Wecker klingelte, wachte ich nicht auf. Ungefähr eine Stunde später riss mich ein störendes Geräusch aus dem Schlaf – mein Wecker klingelte bereits seit einer Stunde. Alex erzählte mir später, er hätte sogar nach mir gerufen, doch ich wollte einfach nicht aufwachen.

Etwas später als geplant starteten wir heute auf den Trail und wanderten eine Variation des GR11, (genannt GR11.4). Dieser führte über unseren ersten 2000er: Ezkauri. Und um diesen zu erklimmen, musste man ganz schön viel kraxeln.

Zu Beginn führte der Weg einfach nur steil bergauf durch den Wald. Nach einiger Zeit erreichten wir eine weitläufige Bergwiese, über welche sich der Trail langsam bergauf schlängelte. Vor uns eröffnete sich ein atemberaubender Blick auf die hohen Pyrenäen, die wir nun zum ersten Mal in ihrer ganzen Schönheit sahen.

Wir erklommen zwei niedrige Berge, wanderten ein Stück auf einem Grat, bis wir schließlich die Felswand erreichten. Hier war es an der Zeit die Wanderstöcke wegzustecken, denn ab jetzt benötigten wir beide Hände, um uns am Gestein festzuhalten. Ähnlich wie in Slovenien war die Richtung des Trails einzig durch ein paar rot-weiße Zeichen auf den Felsen markiert, den Weg musste man sich allerdings selbst suchen. Konzentriert stiegen wir langsam bergauf: zuerst suchten wir uns einen sicheren Griff, dann zogen wir uns hinauf, immer im Takt der eigenen Atmung.

Nach ungefähr zwei Stunden erreichten wir den Gipfel! Hier oben war es windig und kühl, also setzten wir uns in einen kleinen Steinkreis, der den Wind ein wenig abschirmte und machten eine ausgiebige Pause.

Kurz nach Mittag stiegen wir wieder hinab und erreichten nach gut zwei Stunden den Campingplatz Zuriza. Ursprünglich hatten wir geplant, von hier aus noch ein wenig weiterzuwandern, doch es gab eine kleine Planänderung. Als Alex den Trail nach Möglichkeiten absuchte, um auszusteigen, stellten wir fest, dass es hier eigentlich kaum öffentliche Verkehrsmittel gab und die einzige und beste Möglichkeit in Canfranc war – in nur 3 Tagen! Das kam ihm allerdings ganz gerecht, denn mit dem Wohnungsbrand und dem Suchen einer neuen Bleibe hatte ja niemand gerechnet. Also beschloss er, seinen Flug umzubuchen. Das einzige Problem: hier oben gab es kein Netz und somit konnten wir die Airline nicht erreichen. Doch für alles gab es eine Lösung: eine Familie, deren Sohn auf dem Campingplatz arbeitete, war gerade zu Besuch und sie mussten am Abend hinunter in die Stadt und zurück fahren – dort unten gab es Empfang. Sie boten an uns mitzunehmen und wir nahmen das Angebot dankend an. In ihrem Bulli gab es zwar nicht genug Sitzplätze, aber auf der Rückbank war es auch ganz gemütlich.

In einem kleinen Örtlein setzten sie uns ab, Alex erledigte seinen Anruf und verlegte seinen Flug und ein paar Stunden später ging es zurück zum Campingplatz.

Unser Plan noch ein wenig weiterzuwandern ging zwar nicht auf, doch so hatten wir immerhin ein wichtigeres Problem gelöst.

Tag 11: von Zuriza zum Wildcamping hinter La Mina

Da heute kein langer Tag geplant war, ließen wir es gemütlich angehen. Wir frühstückten ausgiebig und machten uns langsam auf den Weg.

Die ersten paar Kilometer wanderten wir auf einer Kiesstraße, bis der GR11 schließlich abzweigte und in die Berge führte. Zwischen den Granit-Giganten hindurch, die uns am Morgen noch Schatten spendeten, wand sich der Trail immer weiter hinauf. Nach gut drei Stunden erreichten wir einen pass, der gleichzeitig den höchsten Punkt des Tages darstellte, mit knapp 2000 Metern. Wir legten unsere Rucksäcke ab und machten eine Pause. Von hier gab es noch die Möglichkeit einen nahegelegenen Gipfel zu erklimmen, die sich Alex natürlich nicht entgehen ließ – ich drehte nach 15 Minuten wieder um und zog die Pause vor.

Als er zurückkam, rasteten wir noch ein wenig, bis es schließlich an den steilen und steinigen Abstieg ging. Nach gut zwei Stunden überholte uns eine Wanderin. Wir rätselten, ob sie eine GR11 Wanderin sei, doch ihr Rucksack war verdächtig klein. „Oh ihr sprecht auch Deutsch?“ fragte sie – sie hatte uns gehört.

Es stellte sich heraus, dass sie auch auf dem GR11 wanderte. Wir unterhielten uns ein wenig und schlossen uns zusammen.

Lea war 22 Jahre alt und kam aus der Schweiz. Letztes Jahr war sie den GR10 gewandert und dieses Jahr standen der GR11 und der SMT auf dem Plan! Sie war eine lustige und aufgeweckte Person und es machte Spaß sich mit ihr zu unterhalten. Gemeinsam setzen wir uns an einen Fluss und ließen die Füße ins Wasser baumeln. Später fragte Lea mich, ob ich einen YouTube Kanal hatte. Sie hatte mein Video vom SMT letztes Jahr gesehen, aber war doch nicht ganz sicher, ob ich es war – die Frisur war anders. Ich lachte und bejahte ihre Frage.

Nach unserer Pause ging es leicht bergauf entlang des Flusses weiter. In der Nachmittagshitze beschlossen wir ein paar Stunden später kurzerhand noch einmal hineinzugehen – wir hatten ja alle Zeit der Welt. Die Abkühlung kam uns allen gerecht, bevor wir uns an den letzten Aufstieg für heute wagten.

Erschöpft erreichten wir eine weite, saftig grüne Ebene, geteilt durch ein mäanderndes Bachbett. Im Tal hing der Nebel und überall grasten die Kühe. Wir bauten die Zelte auf, kochten unser Abendessen und Lea und ich dehnten noch ein wenig unsere Muskeln.

Früh gingen wir ins Bett, der Tag war doch länger gewesen als geplant.

Tag 12: nach Candanchú und La Rinconada

Heute klingelte der Wecker um 7:00 Uhr. Das Einpacken war schon Routine geworden und wir setzten uns gemeinsam auf einen Stein fürs Frühstück. Anschließend füllten wir an einer kleinen Quelle unsere Flaschen auf und schon konnte es losgehen.

Wir passierten das Tal, wanderten immer am Fluss entlang, bis der Trail schließlich begann anzusteigen. Unser Trio überquerte einen Pass und wurde direkt belohnt mit einem atemberaubenden Blick auf den Ibon de Estanés (Bergsee). Das kühle blau strahlte in der Sonne und lud förmlich dazu ein, hineinzuspringen. Wir stiegen hinab und legten unsere Zelte zum trocknen in die Sonne, die von der Kondensation ziemlich feucht geworden waren. Nun konnten wir endlich in den See springen! Das Wasser war kühl, aber nicht zu kalt und fühlte sich wunderbar an. Wir blieben ein wenig im Wasser, genossen die angenehme Kühle in der Hitze um uns herum, als wären wir in zwei verschiedenen Welten.

Nachdem wir in der Sonne getrocknet waren, packten wir alles wieder ein und wanderten am Ufer entlang weiter in Richtung Candanchú. Es sollte zwar laut Karte nur bergab gehen, doch das erwies sich als nicht ganz richtig. Der Trail war ein dauerndes Auf und Ab über Geröll und größere Felsbrocken. Jeder Schritt musste gut überlegt platziert werden, um nicht abzurutschen. Wir hatten uns darauf gefreut schon zu Mittag in Candanchú anzukommen, doch der „Abstieg“ dauerte sehr viel länger als erwartet. Die Sonne brannte von Himmel und wir waren überglücklich als wir endlich die Skilifte von Candanchú erblickten.

Schnell bevor der Supermarkt für die Siesta zusperrte erledigten wir unseren Resupply und setzten uns auf die Terrasse eines Restaurants gegenüber. Nachdem wir die Speisekarte studiert hatten, entschieden wir uns einstimmig für Pizza. Die Bedienung erklärte uns wir würden niemals eine Pizza pro Person aufessen können, also bestellten wir zwei Pizzen für drei Personen – mit dem Gedanken eine weitere Pizza nachzubestellen. Die Bedienung wusste ja gar nicht wie weit wir heute schon gekommen waren… Als die Pizza serviert wurde, lief uns das Wasser im Mund zusammen – soooo viel Käse!

Tatsächlich behielt die Bedienung recht, wir schafften nicht einmal zwei Pizzen. Nach dieser riesigen Mahlzeit mussten wir uns erst einmal in den Schatten legen und ein wenig verdauen.

Inzwischen war es 17:00 Uhr und wir hatten noch drei Stunden vor uns bis zu dem Fluss, an dem wir zelten wollten. Mühsam schleppten wir uns bergauf, die Sonne brannte noch immer vom Himmel und mir lief der Schweiß in Strömen vom Gesicht. Nach gut zwei Stunden kamen wir an einem kleinen unbemannten Refugio vorbei. Ein anderer Thruhiker stand davor und trocknete gerade sein Zelt. Wir kamen mit ihm ins Gespräch und er stellte sich als André vor. Er kam ursprünglich aus Polen und wanderte den GR11 in die entgegengesetzte Richtung. André war lustig und wir quatschten viel zu lange mit ihm. Er kannte sogar meinen YouTube Channel und hatte mein GR11 Gear Video gesehen! Abschließend gab er uns noch ein paar Tipps für die Abschnitte vor uns und wir verabschiedeten uns von ihm. Seinem Ratschlag folgend zelteten wir eine Stunde aufwärts vom Fluss auf einer weichen Bergwiese. Bevor wir zu kochen begannen wuschen wir uns im Fluss und bauten die Zelte im Dreieck auf, sodass wir in der Mitte gemeinsam sitzen und uns unterhalten konnten.

Tag 13: vom La Rinconada zum Refugio Respomuso

Nach dem Frühstück hieß es Abschied nehmen. Für Alex war der letzte Tag auf dem Trail gekommen und Lea und ich wanderten von nun an alleine weiter. Wir umarmten uns und wünschten einander eine gute Reise. Irgendwie war es schade, dass Alex nicht den gesamten Trail mit uns bestreiten konnte, wir waren doch gerade erst richtig in Fahrt gekommen und die höchsten Berge lagen noch vor uns.

Lea und ich wanderten weiter in Richtung Sallent de Gállego. Zunächst ging es steil bergauf bis zu einem Bergsee. Wir überholten eine Gruppe Pfadfinder auf dem Aufstieg und konnten unserer Augen kaum trauen, als wir den See erreichten – so viele Menschen und solch ein Geräuschpegel! Auch wenn der See wunderschön war, wir füllten nur schnell unsere Wasserflaschen auf und wanderten weiter.

Es ging hauptsächlich bergab auf einem steinigen schmalen Pfad, der durch ein Skigebiet führte, später wanderten wir sogar ein kleines Stück auf der Straße.

Sallent de Gàllego erreichten wir kurz nach Mittag. Hier gab es ein kleines Hippiefestival und wir nutzen die Gelegenheit um ein wenig durch den Handwerkermarkt zu schlendern. Lea kaufte sich ein Armband und ich bestellte mir ein veganes Seitan Sandwich und Nachos mit Guacamole für uns zwei.

Durch Sallent de Gállego floss ein kleiner Bach mit eiskaltem Bergwasser. Wir suchten uns einen gemütlichen Platz im Schatten und machten eine ausgiebige Siesta. In der Sonne trockneten wir unsere Kleidung und ich hielt meine Füße in das glasklare Wasser während Lea in ihrem Wanderführer las.

Nach ungefähr drei Stunden beschlossen wir, uns für heute noch einen weiteren Aufstieg vorzunehmen und somit den morgigen Tag ein wenig zu verkürzen. Gut 1000 Höhenmeter ging es durch eine Schlucht bergauf. Zum Glück gab es hier reichlich Wasser, sodass wir uns immer wieder abkühlen, trinken, oder einfach unter den Wasserfall springen konnten. Nach gut anderthalb Stunden erreichten wir steiniges und schwierigeres Terrain und bei einem Blick zurück konnten wir das ganze Tal beobachten – noch ungefähr eine Stunde bis zum See!

Als wir endlich das Tal erreichten, in dem der Bergsee Respomuso eingebettet lag, waren wir überglücklich. Wir fanden auf diesem steinigen Boden keinen guten Platz um die Zelte aufzustellen, also überlegten wir uns, beim nahegelegenen Refugio nachzufragen ob vielleicht noch zwei Betten frei waren. Doch zuerst mussten wir anstoßen! Ein Radler für mich und ein Bier für Lea und der Sonnenuntergang vor der Hütte – traumhaft. Anschließend fragten wir den Wirt, ob sie noch Platz hatten. Er verneinte, doch als ich ihn fragte ob wir auf dem Boden, oder draußen schlafen konnten, willigte er ein. So hatte ich mein erstes Cowboycamp unter der Treppe des Refugios und sogar fließend Wasser!

Nach dem die „Betten“ gemacht waren legten wir uns schlafen. Für morgen stand der anspruchsvollste und schwierigste Tag auf dem GR11 an!

Tag 14: vom Refugio Respomuso bis kurz vor Banos de Panticosa

Als ich aufwachte, war vor dem Refugio schon viel los. Wanderer starteten früh auf ihre Touren und über unseren Köpfen waren Schritte auf dem Gitterboden zu hören. Lea und ich holten uns eine Tasse Kaffee im Refugio und frühstückten unter der Treppe. Nachdem unser Equipment verstaut war ging es los auf den höchsten Pass des GR 11: Pico de Tebarray auf 2772 Metern Höhe. Zunächst war der Aufstieg recht entspannt, wir wanderten über Bergwiesen, durchquerten zwei Bäche bis der Trail langsam steiler wurde. Die vegetation verschwand schließlich gänzlich und wir fanden uns bald in einer kargen Mondlandschaft aus spitzen Steinen und Geröll wieder. Der Weg wurde immer steiler und manchmal mussten wir anhalten und kurz pausieren. Lea und ich überholten zwei andere Wanderer: Marie aus Belgien und Jesus aus Spanien. Für die letzten Meter mussten wir unsere Wanderstöcke verstauen und fast senkrecht bergauf klettern. Dann erreichten wir auch schon den Pass. Hier oben blies der Wind mit einer enormen Stärke und sofort mussten wir uns etwas überziehen. Gut eingepackt schauten wir uns um. Die vorher noch sanft geschwungen und grünen Hügel vom Morgen hatten sich in steinige Felswände verwandelt. Während wir hier oben auf dem Pass saßen und die Ausblicke genossen, kamen auch Marie und Jesus über die Kante geklettert. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass der anspruchsvollste und steilste pass des GR11 nun hinter uns lag. Mit einem Mal wich alle Anspannung der Freude über den gelungenen Aufstieg.

Auf dem höchsten Pass des GR11

Nachdem wir hier oben ein wenig gefröstelt hatten, stiegen wir entlang des Ibon de Tebarray wieder hinab. Der Abstieg war zwar lang aber weniger steil als unser Aufstieg und so wanderten wir ein paar Stunden bergab. Wir überquerten kleine Bäche, wanderten am Ufer strahlend blauer Bergseen entlang und erreichten schließlich ein Refugio.

Auf uns und den schwersten Pass des GR11!

Beim Refugio legten wir eine lange Mittagspause ein und stießen auf unseren Tag an. Anschließend wanderten wir weiter bergab in Richtung Banos de Panticosa. Links neben uns schlängelte sich ein schmaler Bergbach hinab, der hier und da einen kleinen Wasserfall bildete. Je tiefer wir kamen, desto grüner wurde die Umgebung, bis wir schließlich eine weitläufige grasbedeckte Ebene neben dem Fluss erreichten.

Wir näherten uns dem Fluss und am Ufer saß Marie! Wir grüßten sie schon aus der Ferne und setzten uns dazu. Gemeinsam ließen wir die Beine ins eiskalte Wasser baumeln und beschlossen, hier heute Abend auch gleich die Zelte aufzuschlagen.

Nach kurzer Zeit kam ein weiterer Wanderer vorbei. Marie begrüßte ihn und er stellte sich mir als Javier vor. Er war Spanier und wanderte ebenfalls auf dem GR11.

Gemeinsam kochten wir neben dem Fluss Abendessen mit unseren Gaskochern und unterhielten uns. Es war schön immer wieder neue Wanderer auf dem Trail kennenzulernen und noch schöner, sich immer wieder zu treffen und gemeinsam zu Abend zu essen.

Marie und Javier

  1. Jul 29, 2022 9:58 pm

    Unfassbar schöne Bilder. Beim Lesen des Textes fühle ich mich als wäre ich dabei. Toll geschrieben. Alexa und ich wollen den GR11 – zumindest teilweise – auch gemeinsam machen. Alexa hat schon gegoogelt…..