Helena Algermissen
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Washington Part 2 – Meine ersten Tage auf der Farm!

06. April 2022

Ich wachte vor allen anderen auf, zog mich warm an und ging auf einen kleinen Spaziergang vor der Arbeit. Es war ein klarer, aber klirrend kalter Morgen. Die Sonne war noch nicht hinter den Berggipfeln hervorgekrochen, aber die Spitzen der Berge auf der gegenüberliegenden Seite waren schon golden beleuchtet, als könne es nicht mehr lange dauern. Während ich durch die Hohe Wiese streifte, kam Curly (oder Larry) mich besuchen und wollte gestreichelt werden. Ich setze mich hin und er begann auf mich drauf zu klettern! Seth hatte mir schon erzählt wie zutraulich die beiden Katzen waren und ich war überrascht wie gerne die beiden schmusen und gestreichelt werden wollten!

Gute Gesellschaft am Morgen

Nach meinem Spaziergang machte ich mir ein Frühstück und traf Seth in der Scheune. Er fragte mich, ob ich schon anfangen wollte und nachdem ich seine Frage eifrig bejaht hatte, gingen gemeinsam hinaus zum Gewächshaus. Hier war es meine Aufgabe, kleine Setzlinge von Pepperoni Pflanzen umzutopfen, da sie zu groß geworden waren und mehr Platz zum wachsen benötigten.

In diesen flachen Boxen mit 128 Kammern werden die Samen gepflanzt. Sobald sie groß genug sind werden sie transferiert in größere Töpfe, bis sie schließlich in die Erde gesetzt werden können
Das sieht schon besser aus!

Mit einem Löffel-ähnlichen Werkzeug entnahm ich die kleinen Setzlinge aus ihren beengenden Kammern. Dabei musste ich besonders vorsichtig sein, ihre verletzlichen kleinen Wurzeln nicht zu durchtrennen und sie so behutsam wie möglich in die frische Erde zu pflanzen. Die größeren Töpfe würden noch einige Zeit im Gewächshaus verbleiben, bis es draußen wärmer war.

Anschließend half ich Kennedy das Unkraut im Spargelbeet zu rupfen. Diese Aufgabe benötigte viel Zeit und wir wechselten uns immer einmal mit unseren Aufgaben ab, um nicht den ganzen Tag das gleiche machen zu müssen. Zwischen den Spargelpflanzen entfernten wir das Unkraut feinsäuberlich mit den Händen, doch auf den Wegen konnten wir mit einer Mistgabel den Boden auflockern, damit sich die Wurzeln leichter aus der Erde lösten. Die Wurzeln einiger Gräser waren einen halben Meter lang und wir versuchten, so viel wie möglich davon aus der Erde zu entfernen.

Kennedy und Curly

Curly und Larry kamen uns immer wieder besuchen und legten sich in die Sonne. Wenn wir gerade knieten um das Unkraut zu jäten, sprang Curly uns auf die Schulter und verlangte nach einer Streicheleinheit.

Bis zum Ende des Tages waren wir damit beschäftigt, das Spargelbeet von Unkraut zu befreien. Durch die vielen Stunden die wir auf unseren Knien verbrachten, konnte ich richtig spüren, dass meine Gelenke diese Arbeit nicht gewohnt waren. Später kochten wir gemeinsam Abendessen und ich ging früh schlafen.

07. April 2022

Mein morgendlicher Spaziergang und die damit verbundenen Streicheleinheiten für Curly und Larry wurde zu einer Routine. Früh morgens war es unglaublich friedlich und ruhig hier draußen. Ich lauschte den Vögeln und beobachtete die Natur während sie langsam aufwachte, als sich die Sonne über den Bergen erhob.

Heute begann ich damit, die Wege im Lavendel Beet zu erneuern. Dafür wurden Holzspäne (das richtige Wort ist scheinbar „Hackschnitzel“, allerdings kann ich das als Veganerin nicht wirklich gutheißen) auf den Wegen verteilt, sodass kein Unkraut zwischen den Pflanzen wachsen konnte. Seth lud mit einem Traktor große Haufen von Holzspänen ab und ich verteilte sie mit einem Eimer und einer Mistgabel. Nach zwei Stunden war ich sichtlich erschöpft, die Mistgabel war nicht gerade leicht und erst recht nicht, wenn sich ein Berg Holzspäne darauf stapelte. Nachdem ich zwei Reihen des Weges erneuert hatte ging ich zu Kennedy und gemeinsam befreiten wir das Spargelbeet vom letzten Unkraut. Nun war es auch hier an der Zeit, die Wege mit Holzspänen zu bedecken. Gemeinsam schaufelten wir und luden mit einer Schubkarre Holzspäne auf den Weg.

Um 17:00 Uhr ging ich hinein und begann Pizza Teig zu machen nach dem bewährten Rezept aus unserer WG in Wien. Das gemeinsame Pizza Backen war bei uns zu einer Tradition geworden und als ich auf der Farm vorschlug, dass wir gemeinsam Pizza machen könnten, waren alle begeistert von der Idee. Am Vortag hatten wir alles eingekauft und nun war es an der Zeit zu backen. Rae machte eine wahnsinnig leckere Tomatensauce aus pürierten Tomaten und frischen Kräutern aus dem Garten und ich kümmerte mich um den Teig. Nach dem der Teig eine Stunde lang geruht hatte, begonnen wir die Pizza zu belegen. Rae hatte selbstgemachte sonnengetrocknete Tomaten (natürlich von der Farm) in der Pfanne in Öl erhitzt und rehydriert, Kennedy und ich hatten Aubergine, Pilze und den Mozarella präpariert. Jetzt war es Zeit die Pizza zu belegen. Insgesamt machten wir 6 Pizzen, davon eine kleine Margherita für Elise, die ihre Pizza so bevorzugte, wie ich früher 😉 Rae machte noch einen frischen Salat mit Grünkohl aus dem Garten und wir aßen alle gemeinsam an dem großen Tisch im Esszimmer von Seth und Katie. Das Essen schmeckte fantastisch und alle teilten mir mit, dass sie selten so gute Pizza gegessen hatten (das ist der langen Pizza-Back-Erfahrung aus unserer WG geschuldet). Isaac mochte zwar keine Pizza, aber er konnte es kaum erwarten uns Eis als Nachspeise anzubieten.

Es war ein schöner und geselliger Abend und zufrieden fiel ich ins Bett und bald in einen tiefen Schlaf.

08. April 2022

Heute begann ich damit Tomaten Setzlinge umzutopfen. Die Prozedur war sehr ähnlich wie bei den Pepperoni Pflanzen, nur dass man die Tomaten vorsichtiger anfassen musste und bestenfalls nicht unterhalb der untersten Blätter. Der Stiel ist von kleinen Härchen gespickt, die sich später zu Wurzeln ausbilden können, daher müssen die Pflanzen tiefer in die Erde gesetzt werden, als beispielsweise die Pepperoni. Behutsam transferierte ich zwei ganze Bleche, also insgesamt ca 250 Tomatenpflanzen in größere Töpfe. Für die letzten zwei Stunden half mir Kennedy dabei, sodass wir um einiges schneller arbeiten konnten.

Zwischendurch sprach ich mit Seth darüber, wie er auf die Landwirtschaft gekommen war. Er hatte Landschaftsplanung und -Politik studiert und festgestellt, dass es für ihn viel zu viel Arbeit am Papier und zu wenig mit den Händen war. Viel lieber wollte er selbst einen Beitrag dabei leisten, den Boden und das Land zu regenerieren, als nur Vorschriften zu erstellen, die das eigentliche Ziel sogar verfehlten. Alles auf der Farm hatte er selbst gemacht und gebaut. Ich war beeindruckt wie viel er über die Natur, über den Boden und über jede einzelne Pflanze wusste, die er anbaute. Er teilte sein Wissen mit uns und wir durchlöcherten ihn mit Fragen, die er liebte zu beantworten.

Am Abend zeigte uns Rae wie man selbst Nussbutter herstellen konnte. Wir machten eine Mandel-Cashew Butter, die so viel besser schmeckte, als jede Mandel oder Cashewbutter, die ich je im Supermarkt gekauft hatte. Noch dazu war es viel billiger, sie einfach selbst zu machen. Wie jeden Abend quatschten wir ein bisschen in der Küche, bis wir schließlich ins Bett gingen.

09. April 2022

Wie bei einer normalen Arbeitswoche müssen wir am Wochenende nicht arbeiten, also konnten wir alles tun und lassen, was wir wollten. Ich lag etwas länger im Bett, ging auf meinen morgendlichen Spaziergang und setzte mich schließlich auf einen Stein vor dem Haus, um die Sonne zu genießen und ein wenig zu zeichnen. Nach einiger Zeit kam mich Curly besuchen und ich streichelte ihn ausgiebig. Immer wieder strich er mir um die Beine, schnurrte und rieb seinen Kopf an mir.

Später nahm Seth Kennedy, Rae, Isaac, Elise und mich mit auf eine Wanderung in der Umgebung. Unser Ziel war der Berg „Fourth of July Mountain“ von welchem aus man über den Lake Chelan schauen konnte. Seth und Rae wussten viel über die hier heimischem Pflanzen und ich lernte, wie man eine Ponderosa Pine von einer Douglas fir unterscheidet (die Ponderosa Pine hat ihre Nadeln gruppiert in Pompom-ähnlichen Kugeln).

Auch wenn wir uns in einer eher ariden Gegend befanden, blühten hier satt-gelbe Wildblumen am Rande des Weges. Die Okanogan Sunflower war heimisch und gerade in voller Blüte.

Von links nach rechts: ich, Rae, Kennedy und Magnolia

Obwohl es der Himmel wenig bewölkt war, begann es zu schneien. Der Schneefall hielt zwar nicht besonders lange an, aber er war trotzdem eine angenehme Überraschung. Elise war nicht so überzeugt von den kleinen weißen Flocken und wollte zurück zum Auto, also drehten wir um ohne den Gipfel erklommen zu haben.

Nachdem wir wieder zurück auf der Farm waren, aßen wir zu Mittag und beschlossen in die kleine Stadt Chelan zu fahren. Dort gab es einen Bio-Laden mit dem Namen „Bear Foods“. Hier wurde alles von Bio-Pflegeprodukten wie Bodylotion, Cremes, Seifen, Lippenpflege über Feinkost aus aller Welt und besondere alkoholische Getränke angeboten. Am liebsten hätte ich all die verschiedenen Sorten von Schokolade ausprobiert, doch ich entschied mich für die Oster-Schokolade aus der Zotter Manufaktur in Österreich! Ich liebe Zotter Schokolade und hätte niemals damit gerechnet, sie hier am anderen Ende der Welt in einem kleinen Geschäft zu finden! Da Kennedy und Rae genau so gerne Schokolade aßen wie ich, kaufte ich die Tafel und wir teilten sie uns. Die Oster Edition bestand aus Haselnuss, Walnuss und Kürbiskern-praline, umhüllt von dunkler Schokolade. Das beste war: sie war komplett vegan! Unsere Schokoladen Kritiker-Bewertung: ein Genuss. Schon gestern hatten wir 3 verschiedene Sorten probiert, die Rae mitgebracht hatte, aber keine kam auch nur ansatzweise an die Zotter Schokolade heran. Wir werden allerdings weiter testen und überprüfen, ob sie nicht doch noch vom Podest gestoßen werden kann.

Zurück auf der Farm kochten wir gemeinsam indisches Dal mit Naan Brot und Basmati Reis. Dieses aufwändige Gericht braucht benötigt zwar viel Geduld, aber es war ein Genuss und all die Mühe wert. Anschließend ging ich mit Kennedy kurz spazieren und verzog mich in mein Zimmer, um ein wenig zu lesen, bevor es Zeit war zu schlafen.

10. April 2022

Ich wachte auf und fühlte mich irgendwie erschöpft. Allerdings nicht körperlich, sondern auf einer ganz anderen Ebene. Ich war es nicht mehr gewohnt, so viel Zeit unter Menschen zu verbringen und hatte das Bedürfnis, heute einfach nur für mich zu sein und meine sozialen Batterien wieder aufzuladen. Heute startete langsamer in den Tag als sonst: zuerst ein gutes Frühstück, eine Tasse Kaffee (zum Glück steht niemand gleichzeitig mit mir auf, also hatte ich wirklich meine Ruhe), anschließend dehnte ich mich ausgiebig und machte meine Übungen für mein verletztes Knie, die ich in letzter Zeit durch das hin- und her reisen etwas hatte schleifen lassen. Danach meditierte ich noch kurz und zeichnete meine tägliche kleine Zeichnung. Für all diese Dinge hatte ich zuhause zuletzt nie Zeit gehabt, deswegen genoss ich sie um so mehr.

Nach meinem langsamen Start in den Tag beschloss ich noch einmal zum Fourth of July mountain zu fahren, um dieses Mal wirklich bis zur Spitze zu wandern. Seth lieh mir sein Auto, doch ich war so aufgeregt, dass ich am liebsten gar nicht fahren wollte. Ich hasste Auto fahren so ziemlich seit ich Auto fahren gelernt hatte und vermied es so gut es ging. In einem fremden Land mit einem fremden Auto zu fahren erleichterte das ganze nicht gerade. Noch dazu hatte ich unterwegs keinen Empfang, wenn ich mich also verfahren würde, wüsste ich nicht wie ich zurück finden sollte.

Ich stieg in das Auto und musste feststellen, dass es sich verglichen mit unserem Schiff sehr gemütlich fahren und nicht so leicht abwürgen ließ (dafür war Seth’s Fahrzeug auch weniger windschnittig und könnte mit dem Passat bestimmt nicht mithalten wenn dieser einmal Segel gesetzt hatte) 😉

Glücklicherweise fuhr ich nicht durch die Zivilisation und musste somit auch nicht mit den leicht unterschiedlichen Verkehrsregeln umgehen. In den Vereinigten Staaten fährt an einer Kreuzung immer der/ diejenige zuerst, der/die zuerst die Kreuzung erreicht. Das erschafft meiner Meinung nach viel Raum für Missverständnisse verglichen mit unserer Rechts-vor-links Regelung.

Als ich den Trailhead erreichte, stellte ich das Auto ab und wollte los wandern. Doch ich bekam den Schlüssel einfach nicht aus dem Zündschloss. Ich wollte schon Seth anrufen und ihn fragen, wie das hier gedacht sei, doch ich musste feststellen, dass es hier keinen Empfang gab. Nach einigem Herumprobieren stellte ich fest, dass ein kleiner Hebel hinter dem Lenkrad das Zündschloss entriegelte und den Schlüssel freigab. Keine Ahnung wer sich das ausgedacht hatte.

(Eigentlich wollte ich euch ja vorenthalten, dass ich bis 2 Tage vor der Abreise noch dachte, man würde hier auf der anderen Straßenseite fahren, aber nun finde ich es ganz amüsant. Glücklicherweise hat mich ein Bekannter darauf hingewiesen und mir diese Peinlichkeit vor Ort erspart. Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass ich einfach keine Auto-Person bin. Mama macht sich vermutlich heute noch Sorgen, ob ich auch ankomme, wenn ich doch einmal irgendwo hinfahren sollte)

Nun konnte ich also endlich los wandern. Als ich mehr und mehr an Höhe gewann, schaute ich immer wieder zurück zu Seth’s Auto, um auch ja sicherzugehen, dass es sich nicht vom Fleck bewegte. Schnell erreichte ich den Punkt, an dem wir gestern umgekehrt waren und ungefähr 20 Minuten später erreichte ich die Spitze des Berges. Von hier konnte ich zum ersten Mal in Richtung Norden den gesamten Lake Chelan in seiner vollen Länge überblicken. Im Hintergrund erhoben sich majestätisch die North Cascades, die noch unter dicken Schneedecke versteckt waren. Seth hatte mir schon erklärt, dass obwohl Manson und Stehekin am selben See liegen, sie sich in ganz unterschiedlichen Klimaten befinden. Die Nord und Süd-Seiten des Sees unterschieden sich wie Tag und Nacht und ich konnte es gar nicht erwarten, mit der Fähre über den See zu fahren, sobald es wärmer werden würde. Ich stand eine Weile auf der Spitze und sog die Szenerie förmlich in mich auf. Außer mir war niemand hier oben und ich genoss die Einsamkeit und den Geruch der Kiefernnadeln.

Lake Chelan von oben

Das hört sich zwar alles viel zu schön an um wahr zu sein, aber leider gibt es auch eine sehr unerfreuliche Nachricht: meine Knieverletzung, die mich seit der letzten Fernwanderung in Slowenien plagte, und welche ich schon fast für verschwunden gehalten hatte, war zurück. Ich hatte schon während des Aufstiegs einen leichten Schmerz in meinem linken Knie gespürt, der leider sehr viel schlimmer wurde, je länger ich wanderte, doch ich wollte einfach kein zweites Mal umdrehen, ohne den Gipfel erreicht zu haben. Als ich wieder zum Auto hinabstieg, war der Schmerz wirklich schlimm und ich begann, mich über mich selbst zu ärgern. Da mein Knie gestern nicht geschmerzt hatte, war ich einfach davon ausgegangen, dass ich es wieder mehr belasten könnte, so wie früher. Immerhin hatte ich mich brav an die Anweisungen meines Physiotherapeuten gehalten und für ganze zwei Monate auf Sport verzichtet! Ich bekam Angst, dass ich mir das Wandern für diese Saison ganz abschminken müsste, wenn mir eine so kurze Wanderung bereits solche Schmerzen bereitete.

Ich fuhr mit dem Auto zurück zur Farm und machte Bekanntschaft mit einer Pfauen Familie, die mir den Weg versperrte – sie hatten es nicht besonders eilig, die Straße zu überqueren.

Zurück auf der Farm nahm ich eine heiße Dusche und beschloss den Rest des Tages heute mehr oder weniger im Bett zu verbringen. Ich war frustriert und traurig, dass mich diese Knieverletzung so lange begleitete und ich meine Freizeit hier anscheinend anders verbringen müsste als geplant.