Tag 12 – 15
Tag 12: von Trizič zum Roblekov dom
Im Hostel erwachte ich als erstes und begann leise meine Sachen zusammen zu packen, während die anderen noch schliefen. Um 7:00 Uhr verließ ich das Zimmer. Lateisha schlief leider noch, also konnte ich mich nicht persönlich von ihr verabschieden. Anschließend ging ich in die Stadt um mir etwas zum frühstücken zu besorgen. Zum Glück hatte ein kleiner Supermarkt bereits geöffnet und ich kaufte mir einen Kokos Joghurt mit Heidelbeeren und Nüssen und dazu einen Kaffee auf die Hand aus dem Café nebenan.
Im Anschluss erledigte ich meinen Einkauf die die kommenden Tage auf dem Trail und spazierte zur Bushaltestelle. Der Bus nach Trizič fuhr um 8:55 Uhr und kam um 9:20 Uhr dort an.
Als der Bus am Ziel ankam, musste ich ein Stück durch den Ort gehen, um wieder zum Trail zu gelangen. Ab hier ging es ca. 3 Stunden lang bergauf, bis zur Koča na Dobrci, wo ich eigentlich geplant hatte zu schlafen. Da ich allerdings bereits um 12:30 Uhr dort ankam, entschied ich mich noch weiter zu wandern bis zur nächsten Hütte.
Bis zum Roblekov dom, das etwa 8 km entfernt lag, waren es noch weitere 4 Stunden. Der Weg verlief größtenteils durch den Wald und ich traf keine Menschenseele auf dieser Wanderung. Die Einsamkeit hatte etwas Beruhigendes und etwas Beängstigendes zugleich, aber ich konnte sie genießen, während ich einfach meinen Wegmarkierungen folgte und den Geräuschen des Waldes lauschte. Nach einiger Zeit erhob sich der Trail oberhalb der Baumgrenze und eine halbe Stunde später erreichte ich die Hütte. Es war ein langer Tag und gegen Ende war ich wirklich kaputt. Die gut 1510 hm Aufstieg hatten es in sich, selbst wenn die Distanz eher kurz war.
Zurückgelegte Distanz: 16,6 km, 1510 hm Aufstieg, 380 hm Abstieg; gesamte Distanz auf dem SMT: 204,3 km
Tag 13: vom Roblekov dom auf Begunjščica und zur Prešernova Koča am Stol
Ich erwachte zum ersten Mal bereits um halb 3, weil draußen ein Gewitter tobte und die Blitze den ganzen Dachboden erhellten. Ich schloss die Fenster und sah dem Naturspektakel einige Zeit zu, bis ich mich wieder ins Bett legte und weiter schlief. Um 6:00 Uhr stand ich schließlich auf, machte mir Frühstück und verließ die Hütte. Mein erstes Ziel war der Gipfel Begunjščica (2060 m), der direkt oberhalb der Hütte lag. Es war erstaunlich kalt draußen, was vermutlich dem Gewitter der Nacht zuvor zu verdanken war, und extrem windig noch dazu. Als ich nach gut 45 min Aufstieg die Spitze erreichte, konnte man in alle Richtungen sehen: im Osten erstreckten sich die Kamnik-Savinja Alpen, aus denen ich gekommen war, und im Westen die Julischen Alpen – mein nächstes Ziel. Aktuell überquerte ich die Karawanken, die Österreich und Slowenien trennten. Aufgrund des starken Windes konnte ich leider nicht lange auf dem Gipfel bleiben und machte mich an den Abstieg.
Später erreichte ich die Hütte Dom na Zelenici, wo ich eine kurze Pause einlegte. Auf der Terrasse saßen 2 andere Wanderer, die zwar nicht den SMT wanderten, aber auch für ein paar Tage in den Bergen blieben. Wir unterhielten uns kurz und ich trank einen Kaffee bevor es weiterging in Richtung Stol (Hochstuhl auf Deutsch). Direkt nach der Hütte führte der Weg leicht bergauf, gesäumt von Latschenkiefern und Bergblumen. Doch je höher ich kam, desto steiniger wurde es, bis die Vegetation schließlich ganz verschwand. Der Weg wurde auch zunehmend steiler, aber erstaunlicherweise war es dafür wenig anstrengend.
Um 14:00 erreichte ich bereits den Gipfel Stol (2236 m) und die dort liegende Hütte. Ich überlegte erst weiter zu wandern, aber da ich in wenigen Tagen den Triglav erreichen würde, hielt ich ein paar ruhigere Tage für sehr sinnvoll (inzwischen sind 1410 hm Aufstieg anscheinend schon „ruhiger“ ??? ).
Zurückgelegte Distanz: 11,2 km, 1410 hm Aufstieg, 890 hm Abstieg; gesamte Distanz auf dem SMT: 215,5 km
Tag 14: vom Stol nach Jesenice (bzw. Slovenski Javornek
Wie immer wurde ich bereits vor 6:00 Uhr wach. Ich packte meinen Rucksack und setzte mich nach unten in die Gaststube (der einzige Ort in der Hütte mit Handyempfang). Die Hüttenwirtin fragte mich, ob ich früher frühstücken wollte, es sei kein Problem für sie. Also stimmte ich zu und konnte bereits um kurz vor 7:00 Uhr die Hütte verlassen. Ich stieg zunächst auf den Gipfel Stol, der hinter der Hütte lag und bis auf seine charakteristische Spitze komplett in Nebel gehüllt war.
Es war sehr kalt oben, also blieb ich nicht lange. Anschließend begab mich wieder auf den Trail, der je weiter ich hinab stieg immer mehr im Nebel versank. So wanderte ich 3 Stunden dahin, ohne etwas von der schönen Aussicht über das Golica Tal genießen zu können, die ich eigentlich heute hätte haben sollen. Da sich das Wetter nicht besserte und ich viel zu schnell unterwegs war, änderte ich meinen Plan. Eigentlich hätte ich eine Nacht auf der Hütte vor dem Gipfel Golica verbracht und wäre am nächsten Tag ins Tal abgestiegen, doch ich beschloss heute schon abzusteigen. Das hatte einige Vorteile: ich konnte heute etwas länger wandern uns dafür vom Tal aus mit dem Bus nach Ljubljana fahren, um dort einen Tag zu verbringen. Außerdem könnte ich Jernej wiedersehen und mir sein Klettersteigset ausleihen, welches ich sonst in Mojstrana für ca. 150€ hätte kaufen müssen (ich klettere nicht noch einmal tagelang ungesichert die Berge rauf).
Der Plan war gut, ich musste nur meine Route ein wenig abändern. Doch als ich nur noch ungefähr eine Stunde vom Tal entfernt war, führt der Weg plötzlich nicht mehr da lang, wo er lang führen sollte. Weder bei Google Maps, noch bei meiner Wanderung-App. Ich dachte, das GPS Signal sei nur leicht verschoben und ich würde den Trail schon finden. Dem war leider nicht so und ich musste halb wandernd, halb rutschend (und kurz vor Verzweiflung weinend) einen extrem steilen Hang im Wald hinunter. Ich weiß nicht wie oft ich hingefallen war, aber es war oft und das spiegelte sich gut an den Kratzern auf meinen Beinen wieder. Es dauerte ewig, bis ich wieder aus dem Wald hinauskam, aber schließlich erreichte ich eine Forststraße, auf der ich bis nach Slovenski Javornik wanderte. Eigentlich wollte ich nach Jersenice, aber querfeldein hatte ich kaum die Wahl meines Weges. Letztendlich war ich einfach nur froh dass ich (mehr oder weniger) unbeschadet aus dem Wald herausgefunden habe.
In Slovenski Javornik nahm ich den Bus nach Ljubljana, wo ich mir ein Bett in einem Hostel gebucht hatte.
Als ich in Ljubljana ankam spazierte ich ein wenig durch die Stadt und kaufte mir in einem Second-hand Geschäft ein Sommerkleid für 3€, sodass ich alles andere waschen konnte. Nun konnte ich durch die Stadt flanieren, ohne dass man mir ansah, dass ich bereits seit Maribor gewandert war 😉 Mein Gepäck lud ich im Hostel ab und kaufte mir ein super leckeres und super teures Eis. Anschließend traf ich Jernej, der mir sein Klettersteigset und mein Zelt Groundsheet mit 4 Heringen gab (für‘s Cowboy Campen). Dann führte er mich ein wenig in der Stadt herum und empfahl mir ein paar Restaurants fürs Abendessen.
In Ljubljana gab es Fahrräder zum ausleihen, also holten wir eines für mich, um schneller in der Stadt voranzukommen.
Nach dem Abendessen in einem sehr schönen Restaurant, das sogar veganes Essen (!) hatte, kehrte ich in mein Hostel zurück. Unser 8-er Zimmer hatte sich langsam gefüllt und ein niederländisches Paar kam direkt auf mich zu, um sich vorzustellen und mir einen Gin-Tonic anzubieten, welchen ich natürlich dankend entgegennahm. Wir unterhielten uns noch einige Zeit und anschließend legte ich mich ins Bett.
Es war wirklich schön einen meiner Wandergefährten wieder zu treffen, damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Auch wenn ich die Einsamkeit des Trails liebe, konnte ich die Gesellschaft und meinen kleinen Sidetrip in die Stadt sehr genießen.
Zurückgelegte Distanz: 20 km, 450 hm Aufstieg, 1800 hm Abstieg; gesamte Distanz auf dem SMT: 235,5 km
Tag 15: von Ljubljana nach Mojstrana und zum Aljazev dom
Im Hostel wurde ich wie immer als erste wach und versuchte die anderen nicht aufzuwecken. Mit Hilfe meiner Handy-Taschenlampe und meinem Guidebook plante ich die nächsten Tage meiner Wanderung. Um kurz nach 8:00 Uhr verließ ich das Zimmer um Proviant für den Trail einzukaufen, welchen ich in meinem Rucksack verstaute als ich zurückkehrte. Eigentlich hätte ich mein Gepäck gern im Hostel gelassen während ich den Tag in Ljubljana verbrachte, aber ich musste bis 10:00 auschecken und die Rezeption war leider nicht besetzt. Also verließ ich das Hostel und machte mich auf die Suche nach einem guten Frühstück. Ich erinnerte mich, dass Jernej mir gestern ein Restaurant empfohlen hatte, also ging ich dorthin. Mit einem Blick auf den Fluss Ljubljanica frühstückte ich während die Stadt langsam aufwachte.
Um 9:00 Uhr waren erstaunlich wenige Menschen unterwegs – zumindest verglichen zum Vorabend. Anschließend traf ich mich wieder mit Jernej und er brachte meinen Rucksack in seine Wohnung damit ich ihn nicht den ganzen Tag mit mir herumschleppen musste. Nun waren wir bereit um die Stadt zu erkunden: ich besorgte mir wieder ein city bike zum ausleihen und unser erstes Ziel war die Festung. Wir spazierten hinauf und genossen den wunderschönen Ausblick von oben. Man konnte sogar die Gipfel sehen, die wir bereits erklommen hatten. Nachdem wir einmal um die Festung herum gewandert waren, stiegen wir wieder hinab in die Stadt und holten unsere Fahrräder. Anschließend ging es am Fluss entlang zu einem eher abgelegenen Lokal. Dort waren sehr einladend aussehende Liegestühle am Fluss aufgestellt, also bestellten wir uns einen Drink und blieben für eine Weile. Dann ging es mit dem Fahrrad weiter zu den Museen und zum großen und unglaublich grünen Stadtpark von Ljubljana. Hier machten wir einen Spaziergang und beobachteten die dort wohnenden Eichhörnchen.
Nach dem Spaziergang stiegen wir wieder auf unsere Fahrräder und fuhren ein wenig durch die Stadt, bis wir entschieden uns an einer etwas abgelegenen Stelle des Flusses – fernab vom Touristen Trubel – niederzulassen. Im Schatten der Bäume hielt ich meine Füße ins Wasser und legte mich schließlich auf die Treppenstufen des Ufers um zu entspannen und die Stille zu genießen.
Leider rückte die Abfahrt meines Busses nach Mojstrana immer näher und wir fuhren wieder in die Stadt, um etwas zu essen und meinen Rucksack zu holen. Jernej brachte mich noch zum Bahnhof und wir verabschiedeten uns.
Ich bedankte mich für seine Hilfe und die tolle Stadtführung. Es war wirklich eine schöne Zeit in Ljubljana und ich bin unendlich froh, mir diese Auszeit vom Trail genommen zu haben.
Als ich wieder im Bus saß, begann ich über die vergangenen Tage nachzudenken und über das, was vor mir lag. Plötzlich machte sich wieder eine Angst in mir breit, die ich nur zu gut kannte, wenn ein schwieriger Abschnitt bevor stand und der Triglav Nationalpark war definitiv einer davon. Ich hatte mich wieder so daran gewöhnt, mit anderen Leuten unterwegs zu sein, dass die plötzlich über mir hereinbrechende Einsamkeit und die damit verbundene Angst wie überwältigend wirkte. Jeder Abschied von meinen neu gewonnenen Freunden fiel schwer. Doch ich wusste natürlich, auf was ich mich bei diesem Solo-hike einließ, und auch wenn es mir oft Angst und Sorgen bereitete, war es doch etwas, das ich über alles liebte (Dramatische Musik bitte).
Als der Bus in Mojstrana ankam, war es bereits 18:20 Uhr und ich hatte noch ungefähr 3 Stunden zur Hütte zu gehen. Jernej sagte mir, ich solle versuchen einen Hitch (~per Anhalter fahren) zu bekommen, da es eine eher langweilige Strecke war. Ich versuchte es, doch so spät kamen mehr Autos vom Berg runter, als dass welche hinauf fuhren.
Ich wanderte gut eine Stunde bis mich tatsächlich jemand mitnahm. Es war eine Gruppe junger Männer aus Maribor, deren Auto eigentlich schon voll war, doch wir schafften es mich mitsamt Rucksack noch hineinzuquetschen. Auf der Fahrt bis zur Hütte hatten wir viel zu lachen, doch leider hatte die Gruppe für morgen eine andere Tour geplant, also würden wir uns auf dem Trail vermutlich nicht wiedersehen.
Schließlich bezog mein Zimmer im Aljazev dom und legte mich ins Bett. Ich wollte morgen sehr früh starten um möglichen Gewittern nach Mittag aus dem Weg zu gehen.
Zurückgelegte Distanz: 10 km, 300 hm Aufstieg; gesamte Distanz auf dem SMT: 245,5 km
Aug 21, 2021 10:24 am
Hallo Helena, sollte Dir am Ende weder dein Studienfach noch die Malerei genügen werde Reiseschriftstellerin. Dafür hast Du auch Talent. Natürlich lässt Reisen und Malen sich prima kombinieren. Schlauer Spruch aus meiner Morgenlektüre: „Weil die Angst im Laufe der Evolutionstheorie nützlich war und auch heute noch nützlich sein kann, steckt sie in uns drin.“ Soll wohl heißen, die schlauere Schwester von Übermut und Angst heißt Vorsicht. „Glück auf“ wünsche ich Dir und freue mich auf weitere Berichte.
Aug 23, 2021 6:25 am
Danke für den schönen Kommentar, das freut mich wirklich sehr! Ich bin natürlich auch gerade im hochalpinen Bereich vorsichtig unterwegs! Und mit dem gestrigen Tag habe ich den anspruchsvollsten Teil meiner Wanderung abgeschlossen!